BVerfG - Beschluß vom 01.12.1991
2 BvR 260/91
Normen:
BVerfGG § 93b Abs. 2 Satz 1 ; EMRK Art. 6 Abs. 3 Buchstabe e ; GG Art. 2 Abs. 1 Art. 20 Abs. 3 ; MRK Art. 6 Abs. 3 Buchstabe e ; StPO § 374 § 383 Abs. 2 Satz 1 § 471 Abs. 3 Nr. 2 ;
Fundstellen:
NJW 1992, 1611
NStZ 1992, 290
Vorinstanzen:
AG Augsburg, vom 16.11.1990 - Vorinstanzaktenzeichen 5 Bs 26/90
LG Augsburg, vom 17.01.1991 - Vorinstanzaktenzeichen 6 Qs 37/91

Strafverfahrensrechtliche Kostenentscheidung und Unschuldvermutung

BVerfG, Beschluß vom 01.12.1991 - Aktenzeichen 2 BvR 260/91

DRsp Nr. 1995/9027

Strafverfahrensrechtliche Kostenentscheidung und Unschuldvermutung

1. Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat damit Verfassungsrang. Sie erzwingt ein prozeßordnungsgemäßes Verfahren zum Beweis des Gegenteils, bevor wegen eines Tatvorwurfes Entscheidungen getroffen werden, die die Feststellung von Schuld erfordern.2. Die Überbürdung von Kosten verstößt dann gegen die Unschuldsvermutung, wenn sie Feststellungen zur Schuld des Privatbeklagten trifft, ohne daß das Verfahren bis zur Schuldspruchreife gediehen wäre.

Normenkette:

BVerfGG § 93b Abs. 2 Satz 1 ; EMRK Art. 6 Abs. 3 Buchstabe e ; GG Art. 2 Abs. 1 Art. 20 Abs. 3 ; MRK Art. 6 Abs. 3 Buchstabe e ; StPO § 374 § 383 Abs. 2 Satz 1 § 471 Abs. 3 Nr. 2 ;

Gründe:

I. Die Beschwerdeführerin wurde in einem Privatklageverfahren vor dem Amtsgericht Augsburg beschuldigt, gegenüber einem Dritten behauptet zu haben, die Privatklägerin habe ein Testament nebst Unterschrift gefälscht und das Haus der Privatklägerin sei ohne Genehmigung errichtet worden. Die Privatklägerin warf der Beschwerdeführerin vor, diese Behauptungen seien ohne jeden realen Hintergrund und dazu bestimmt gewesen, sie bei dem Dritten in Mißkredit zu bringen.