BVerfG - Beschluß vom 14.07.1994
2 BvR 1072/94
Normen:
GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 Art. 20 Abs. 3 ;
Fundstellen:
HFR 1995, 530
NJW 1995, 1277
Vorinstanzen:
I. LG Kiel - Urteil vom 15.07. - III KLs (4/90),
BGH, vom 26.04.1994 - Vorinstanzaktenzeichen 5 StR 748/93

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Dauer eines Strafverfahrens

BVerfG, Beschluß vom 14.07.1994 - Aktenzeichen 2 BvR 1072/94

DRsp Nr. 2005/16437

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Dauer eines Strafverfahrens

1. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes dem Beschuldigten im Strafverfahren das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, wobei dieses Prozeßgrundrecht auch eine angemessene Beschleunigung des Verfahrens fordert. 2. Ob die Verfahrensdauer noch angemessen ist, muß nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. 3. Ein Strafverfahren von überlanger Dauer kann den Beschuldigten zusätzlichen fühlbaren Belastungen aussetzen. Diese Belastungen, die in ihren Auswirkungen der Sanktion selbst gleichkommen können, treten mit zunehmender Verzögerung des Verfahrens in Widerstreit zu dem aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleiteten Grundsatz, wonach die Strafe verhältnismäßig sein und in einem gerechten Verhältnis zum Verschulden des Täters stehen muß. 4. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung muß sich deshalb bei der Strafzumessung auswirken, wenn sie nicht im Extrembereich zur Einstellung oder zum Vorliegen eines unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes herzuleitenden Verfahrenshindernis führt