BVerfG - Beschluss vom 27.10.2006
2 BvR 473/06
Normen:
GG Art. 2 Abs. 2 ; StPO § 230 ;
Fundstellen:
NJW 2007, 2318
wistra 2007, 62
Vorinstanzen:
OLG Stuttgart, vom 31.01.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ws 17/06
LG Stuttgart, vom 18.01.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Qs 4/06
AG Stuttgart, vom 21.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 15 Ds 75 Js 9620/05

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Voraussetzungen einer Inhaftierung wegen Nichtwahrnehmung eines Hauptverhandlungstermins

BVerfG, Beschluss vom 27.10.2006 - Aktenzeichen 2 BvR 473/06

DRsp Nr. 2006/30040

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Voraussetzungen einer Inhaftierung wegen Nichtwahrnehmung eines Hauptverhandlungstermins

Der Erlass eines Haftbefehls wegen unentschuldigten Fernbleibens des Angeklagten in der Hauptverhandlung setzt bereits voraus, dass zu der anberaumten Terminsstunde auch tatsächlich eine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Wird diese, wenn auch nur um etwas mehr als eine Stunde verschoben, ohne dass der Verteidiger und der Angeklagte benachrichtigt werden und trifft der Verteidiger bei seinem Erscheinen zur anberaumten Terminsstunde niemand an, ohne dass ein Hinweis auf den verlegten Hauptverhandlungstermin angebracht ist, so ist der Erlass eines Haftbefehls gem. § 230 Abs. 2 StPO rechtswidrig.

Normenkette:

GG Art. 2 Abs. 2 ; StPO § 230 ;

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Rechtmäßigkeit eines erledigten Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO.

A. I. 1. Vor dem Amtsgericht war gegen die Beschwerdeführerin ein Strafverfahren wegen zwei Vergehen der uneidlichen Falschaussage anhängig. Nachdem bereits zwei frühere Hauptverhandlungstermine - einer wegen Urlaubs der Beschwerdeführerin - verlegt worden waren, erging auch in der am 17. Oktober 2005 durchgeführten Hauptverhandlung kein Urteil, sondern das Verfahren wurde nach Durchführung von Zeugenvernehmungen ausgesetzt, weil weitere Beweiserhebungen nötig geworden waren.