6.2.3 Keine Abwesenheitsverhandlung, wenn der Angeklagte teilnehmen will

Autor: Staub

Kurzüberblick

Wesentlicher Sinn und Zweck der Anwesenheitspflicht des Angeklagten in der Hauptverhandlung ist die uneingeschränkte Gewährung des rechtlichen Gehörs einerseits und andererseits soll dem Angeklagten die Möglichkeit eingeräumt werden, sich allseitig und uneingeschränkt verteidigen zu können (BGHSt 3, 187, 190; 15, 263, 264; 26, 84, 90; LR/Becker, § 230 Rdnr. 1; Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rdnr. 3; SSW/Grube, § 230 Rdnr. 2).

Das Recht des Angeklagten auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung geht über die Pflicht zur Anwesenheit hinaus (BGHSt 26, 228, 234; 28, 35, 37; vgl. SK-StPO/Deiters, § 230 Rdnr. 1, der auf Art.  14 Abs. 3 Buchst. d) IPBPR, Art.  103 Abs.  1 GG verweist).

Sachverhalt

Das Gericht will den Hauptverhandlungstermin durchführen bzw. fortsetzen, da die gesetzlichen Voraussetzungen einer Abwesenheitsverhandlung vorliegen. Der Angeklagte will aber an dem Hauptverhandlungstermin teilnehmen.

Wie soll die Verteidigung auf das Ansinnen des Gerichts reagieren?

Lösung

Die Verteidigung muss auf das Recht des Angeklagten auf Anwesenheit bestehen. Das Gericht darf nicht ohne den Angeklagten verhandeln, auch wenn es ohne ihn verhandeln könnte. Wenn also der Angeklagte erkennbar an der Hauptverhandlung teilnehmen will, selbst wenn der Angeklagte schuldlos verhindert ist, darf nicht ohne den Angeklagten verhandelt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rdnr. 4).

Prozesstaktische Hinweise