12.2.10 Informatorische Befragung und Auskunftsverweigerungsrecht

Autor: Kramer

Kurzüberblick

Eine "informatorische Befragung" erfüllt entgegen verbreiteter Auffassung bereits alle Begriffsmerkmale einer Vernehmung, wie sie BGHSt 40, 211 verlangt.

Eine informatorische Befragung stellt der Sache nach die Vernehmung eines Verdächtigen (aber noch nicht Beschuldigten) dar (vgl. BGHSt 38, 214) und bedarf aus diesem Grund keiner Beschuldigtenbelehrung.

Verdächtige Zeugen sind im Rahmen einer informatorischen Befragung aber auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 2 StPO) hinzuweisen.

Die Unterlassung einer solchen Belehrung nach § 55 Abs. 2 StPO führt nach im Vordringen befindlicher Meinung zu einem Beweisverwertungsverbot (vgl. BayObLG, StV 2002, 179).

Sachverhalt

Der Autobahnpolizei wird gemeldet, dass ein Pkw besetzt mit vier jungen, in etwa gleichaltrigen Männern mit weit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs sei. Ein Streifenwagen macht sich auf die Suche und entdeckt das beschriebene, aber völlig demolierte Fahrzeug an der nächsten Autobahnauffahrt, wo es auf einen Lkw aufgefahren ist. Der Lkw-Fahrer ist leicht verletzt und kann keine Angaben machen. Vier junge Männer stehen wortlos um den Pkw herum. Der Streifenbeamte POK Streich wendet sich an die Runde mit der Frage: "Wer von Ihnen war der Fahrer?" Daraufhin meldet sich von den vier Personen Kevin Kanther und sagt: "Ich." Die anderen drei schweigen. Kanther wird später wegen fahrlässiger Körperverletzung und diverser Verkehrsdelikte angeklagt.