22.2.4 Beweisantrag auf Inaugenscheinsnahme - kein Verbot der Beweisantizipation

Autor: Wußler

Kurzüberblick

Für den Augenscheinsbeweis gilt das grundsätzliche Verbot der Beweisantizipation nicht. Ein Antrag auf Inaugenscheinsnahme kann auch mit der Begründung abgelehnt werden, die Beschaffenheit des Augenscheinsgegenstands stehe aufgrund der schon erhobenen Beweise bereits fest (BGH, Urt. v. 30.11.2005 - 2 StR 557/04, NStZ 2006, 406).

Wenn als Beweismittel ein einziger Tatzeuge zur Verfügung steht, darf das Gericht einen Antrag auf Einnahme des Augenscheins nicht unter Berufung auf die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen ablehnen, wenn durch den Augenschein erwiesen werden soll, dass der Vorfall sich wegen der örtlichen Verhältnisse nicht so abgespielt haben kann, wie es der Zeuge bekundet hat (BGH, Urt. v. 13.10.1955 - 3 StR 322/55, NJW 1955, 1890).

Sachverhalt

Der Angeklagte ist vor dem Schöffengericht wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, den Zeugen Z in einer Nachtbar mit einem Messer ohne rechtfertigenden Grund nach einem vorangegangenen verbalen Streit angegriffen zu haben.