6.1.7 Anwesenheitspflicht contra Verhandlungsunfähigkeit

Autor: Staub

6.1.7.1 Verhandlungsunfähigkeit

Die ununterbrochene Anwesenheit des Angeklagten setzt nicht nur voraus, dass dieser körperlich anwesend ist, er muss auch verhandlungsfähig sein (Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rdnr. 8). Dabei ist es für die Frage der Anwesenheitspflicht im Hinblick auf den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit zunächst unerheblich, ob der Angeklagte den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit schuldhaft selbst herbeigeführt hat oder nicht (BGH, NStZ 1984, 520; KK/Diemer, § 230 Rdnr. 3). Bei Zweifeln an seiner Verhandlungsfähigkeit darf die Hauptverhandlung nicht durchgeführt werden.

Die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen. Gemeint ist: Es muss die Fähigkeit bestehen, in oder außerhalb der Hauptverhandlung die eigenen Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen und Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rdnr. 8, Einl. Rdnr. 97).

Praxistipp

Hat die Verteidigung Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, so sollte sie dies dem Gericht unverzüglich unter Benennung des Grundes mitteilen und ggf., wenn das Gericht nicht von sich aus tätig wird, einen entsprechenden Antrag auf ärztliche Begutachtung stellen.

6.1.7.2 Eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit