6.2.2 Keine Disposition über die Anwesenheit des Angeklagten

Autor: Staub

Kurzüberblick

§ 230 Abs. 1 StPO schreibt die Anwesenheit des Angeklagten für die gesamte Dauer der Hauptverhandlung zwingend vor (SSW/Grube, § 230 Rdnr. 1).

Die Anwesenheit des Angeklagten steht nicht zur Disposition der Prozessbeteiligten. Ein Verzicht, eine einvernehmliche Entbindung oder eine Einigung über die Abwesenheit ist unzulässig.

Sachverhalt

Das Gericht will den Hauptverhandlungstermin durchführen bzw. fortsetzen, obwohl der Angeklagte nicht anwesend ist. Es fordert die Prozessbeteiligten auf, sich einvernehmlich auf eine Abwesenheitsverhandlung zu verständigen. Der Angeklagte will aber an dem Verhandlungstermin teilnehmen.

Wie soll die Verteidigung auf das Ansinnen des Gerichts reagieren?

Lösung

Keine Disposition

Der Wille des Angeklagten, an dem Hauptverhandlungstermin teilzunehmen, geht vor. Die Pflicht zur ununterbrochenen Anwesenheit des Angeklagten steht nicht zur Disposition des Angeklagten, des Gerichts oder anderer Strafprozessbeteiligten. Insbesondere ist es unzulässig, auf die Anwesenheit in der Hauptverhandlung zu verzichten (BGHSt 3, 187, 191; 25, 317, 318; LR/Becker, § 230 Rdnr. 2 m.w.N.). Selbst eine einvernehmliche Entbindung durch das Gericht ist unzulässig (BGHSt 25, 317, 318; 22, 18, 20; SSW/Grube, § 230 Rdnr. 3), ebenso eine Einigung über die Anwesenheit des Angeklagten (Burhoff, Rdnr. 318 mit Hinweis auf OLG Hamm, StV 2007, 571).

Prozesstaktische Hinweise