7.1.1 Rechtssystematische Einordnung und Inhalt des Öffentlichkeitsgrundsatzes

Autoren: Stückrath/Schladt

7.1.1.1 Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Normgefüge

Grundsatz

Die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung vor den ordentlichen Gerichten ist eine grundlegende Einrichtung des Rechtsstaates (BVerfG, NJW 2012, 1863). Im Grundgesetz ist sie nicht direkt mit eigenem Verfassungsrang ausgestattet, wird dennoch gemeinhin zu den "grundlegenden Einrichtungen eines Rechtsstaates" (BGH, Urt. v. 23.05.1956 - 6 StR 14/56, BGHSt 9, 280, 281) gezählt und ist in Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 IPBPR als Menschenrecht anerkannt (Schatz, in: Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, § 48 Rdnr. 1). Der Zweck des Öffentlichkeitsprinzips ist historisch betrachtet eine Forderung der Aufklärung gegen die Geheimjustiz und ist eine Reaktion auf die Inquisitionsprozesse des Absolutismus. In erster Linie dient das Prinzip der Öffentlichkeit der Kontrolle des Verfahrensganges durch die Allgemeinheit (RGSt 70, 109, 112; BGHSt 27, 13, 15; BGH, NStZ 1988, 467; KK/Diemer, § 169 GVG Rdnr. 1 f.), welche mit den Ausprägungen der allgemeinen Öffentlichkeit (Saalöffentlichkeit) und der Presseöffentlichkeit sichergestellt ist. Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist ein sehr sensibles Thema im Strafprozess und vor dem Hintergrund dieses rechtsstaatlichen Verständnisses kann die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung nur in Ausnahmefällen beschränkt werden.

Faktische informelle Einschränkungen