Macht ein Zeuge erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 StPO Gebrauch, so erfordern die Einführung des Inhalts einer früheren Aussage des Zeugen in die Hauptverhandlung durch Vernehmung des Richters, vor dem der Zeuge im Rahmen des die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahrens ausgesagt hat, und die Verwertung des dadurch gewonnenen Beweisergebnisses, dass der Richter den Zeugen gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hat; einer weitergehenden Belehrung bedarf es nicht.
Die Vorlage betrifft eine verfahrensrechtliche Frage aus dem Bereich der§§ 252, 52 StPO.
I. 1. In dem beim 2. Strafsenat anhängigen Verfahren hat das Landgericht den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tötete der Angeklagte seine Ehefrau durch insgesamt 60 Stiche und Schnitte mit einem Messer. Motiv der Tat waren die Eifersucht des Angeklagten auf einen Nebenbuhler und seine mangelnde Bereitschaft, eine vom Tatopfer angekündigte Trennung hinzunehmen. Das Landgericht hat insoweit angenommen, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt.
Der Angeklagte hat diese Verurteilung mit der Revision umfassend angegriffen. Er hat einen Verstoß gegen die §§ 252, 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO gerügt und die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Zur Begründung der Verfahrensrüge hat er vorgetragen, das Landgericht habe seine Überzeugung vom Tathergang auch auf Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die sie im Ermittlungsverfahren gegenüber einem in der Hauptverhandlung vernommenen Richter gemacht hatte. Dieser habe die Zeugin zwar über ihr Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO belehrt, nicht aber darüber, dass bei etwaiger späterer Zeugnisverweigerung ihre in der richterlichen Vernehmung gemachten Angaben verwertet werden könnten. Nachdem die Zeugin in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und sich mit einer Verwertung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren nicht einverstanden erklärt habe, sei ihre frühere Aussage nicht verwertbar. § 252 StPO enthalte für derartige Fälle ein umfassendes Verwertungsverbot; die in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme bei einer richterlichen Vernehmung des Zeugen stehe mit dem Schutzzweck der Vorschrift nicht im Einklang. Jedenfalls sei es notwendig, den Zeugen vor einer ermittlungsrichterlichen Befragung auch auf die mögliche Verwertbarkeit von Angaben hinzuweisen.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Die erhobene Verfahrensrüge sei unter Bezugnahme auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unbegründet; die Sachrüge dringe ebenfalls nicht durch.
Der 2. Strafsenat beabsichtigt, das landgerichtliche Urteil auf die Revision des Angeklagten aufzuheben. Er hält sowohl die Verfahrens- als auch die Sachrüge für erfolgversprechend. Die §§ 252, 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO seien verletzt. Nach bisheriger Rechtsprechung sei es zulässig, in den Fällen, in denen ein vor der Hauptverhandlung vernommener Zeuge erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch mache, die richterliche Vernehmungsperson über den Inhalt der Aussage des Zeugen zu vernehmen, die der Zeuge nach Belehrung gemäß § 52 StPO in einer früheren richterlichen Vernehmung gemacht habe. Abweichend hiervon sei eine solche Beweisaufnahme nur dann noch gerechtfertigt, wenn der Zeuge in der zuvor durchgeführten richterlichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt worden sei, dass eine jetzt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibe, wenn der Zeuge in einer späteren Hauptverhandlung vom Recht der Zeugnisverweigerung Gebrauch mache. Materiellrechtlich sei das Urteil fehlerhaft, weil die Feststellungen das Tatbestandsmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe nicht belegten und deshalb den Schuldspruch wegen Mordes nicht trügen. Er sieht sich durch die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehindert, der Revision auf die Formalrüge hin stattzugeben.
2. Der 2. Strafsenat hatte daher die Absicht erklärt, seine eigene Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 -
Hierauf hatten der 1., 4. und 5. Strafsenat mitgeteilt, sie hielten an ihrer der neuen Auffassung des 2. Senats widerstreitenden Rechtsprechung fest (Beschlüsse vom 14. Januar 2015 -
Mit Beschluss vom 18. März 2015 hatte der 2. Strafsenat die Sache dem Großen Senat für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG vorgelegt. Nach einem Hinweis des Großen Senats für Strafsachen, die Vorlage sei unzulässig, weil es an der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage fehle, hatte der 2. Strafsenat diese mit Beschluss vom 24. Februar 2016 zurückgenommen.
3. Mit Beschluss vom selben Tage hat er die Sache gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG erneut dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt:
"Ist die Einführung und Verwertung einer früheren Aussage eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson nur dann zulässig, wenn diese den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht, sondern auch über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hatte?"
Der 2. Strafsenat hält an seiner Auffassung betreffend die Verfahrensrüge nach den §§ 252, 52 StPO und die Erforderlichkeit einer weitergehenden Belehrung des Zeugen fest. Während er in seinem ursprünglichen Anfragebeschluss dargelegt hatte, die in der Rechtsprechung anerkannte Möglichkeit der Vernehmung einer früheren richterlichen Vernehmungsperson führe zu einer Austarierung von öffentlichem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und den die Regelung der §§ 52, 252 StPO tragenden Schutzzwecküberlegungen, die auch heute noch - trotz der hiergegen in der Literatur seit jeher erhobenen Einwendungen - gerechtfertigt erscheine und auch nicht zu einer bedenklichen Einschränkung von Zeugenrechten führe (BGH, Beschluss vom 4. Juni 2014 -
Der Generalbundesanwalt erachtet die Vorlage ebenfalls für zulässig und beantragt zu beschließen:
"Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hat. Eine qualifizierte Belehrung über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren ist nicht erforderlich."
II. Die Vorlegungsfrage ist mit Blick auf das hier Entscheidungserhebliche zu weit gefasst:
1. Sie differenziert zunächst nicht zwischen den einzelnen Zeugnisverweigerungsrechten und betrifft deshalb nicht nur solche aus persönlichen Gründen nach § 52 StPO, wie sie im vorliegenden Fall allein von Bedeutung sind, sondern darüber hinaus auch diejenigen aus beruflichen Gründen nach den §§ 53,
2. Im vorliegenden Fall geht es zudem allein um die Verwertung der Aussage eines Richters, der die Zeugin in dem die konkrete Tat betreffenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, nicht aber in einem sonstigen Verfahren vernommen hat.
3. Der Große Senat für Strafsachen fasst die Vorlegungsfrage deshalb wie folgt neu:
"Ist die Einführung und Verwertung einer früheren Aussage eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 StPO Gebrauch macht, durch Vernehmung des Richters, der den Zeugen im Rahmen des die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahrens vernommen hat, nur dann zulässig, wenn dieser den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht, sondern auch über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hatte?"
III. Die Vorlage ist zulässig. Von Bedeutung sind dabei im vorliegenden Verfahren lediglich die folgenden Gesichtspunkte:
1. Die vorgelegte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich in dem im Rahmen des § 132 Abs. 2 und 4 GVG maßgeblichen Sinne.
a) Sowohl im Falle einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG als auch bei einer Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage nach § 132 Abs. 4 GVG ist es für die Zulässigkeit der Vorlage über den jeweiligen Gesetzeswortlaut hinaus erforderlich, dass die Beantwortung der streitigen Rechtsfrage für die abweichende Vorentscheidung und die beabsichtigte Entscheidung ergebnisrelevant und deshalb erheblich ist. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob das Ergebnis des konkreten Revisionsverfahrens als solches durch die Beantwortung der Vorlagefrage durch den Großen Senat für Strafsachen beeinflusst wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 1961 -
b) Hieran gemessen ist die Entscheidungserheblichkeit in dem hiesigen Verfahren gegeben. Der 2. Strafsenat hat zwar ausgeführt, dass er neben der Verfahrensrüge auch die Sachrüge für erfolgversprechend hält. Anders als in dem ersten Vorlageverfahren in dieser Sache hat er nunmehr jedoch in seinem Vorlagebeschluss ausgeführt, dass unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils auf die Sachrüge zwar den Schuldspruch betreffe, indes die vom Landgericht bisher getroffenen Feststellungen unberührt lasse. Demgegenüber führe die Verfahrensrüge zu einer vollständigen Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung einschließlich der vom Landgericht getroffenen Feststellungen. Hieraus folgt, dass die Revision bei einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils auf die Verfahrensbeanstandung vollen Erfolg hätte; dann hätte das neue Tatgericht insgesamt neue Feststellungen zu treffen. Bei einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils auf die Sachrüge wäre die Revision demgegenüber nur teilweise erfolgreich; denn in diesem Fall wäre das neue Tatgericht an die bisherigen Feststellungen gebunden und könnte selbst allenfalls ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende neue Feststellungen treffen. Das konkrete Ergebnis des derzeit anhängigen Revisionsverfahrens und seine Auswirkung auf das weitere Verfahren stehen deshalb nicht unabhängig von der Beantwortung der Vorlegungsfrage bereits fest.
2. Die Durchführung eines erneuten Anfrageverfahrens nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG war nicht notwendig.
Dabei kann offen bleiben, ob dieses Ergebnis bereits daraus folgt, dass ein entsprechendes Verfahren vor dem ersten Vorlagebeschluss des 2. Strafsenats durchgeführt worden war. Denn jedenfalls sind die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 132 Abs. 4 GVG gegeben. In den dort geregelten Fällen ist die Durchführung eines Anfrageverfahrens nicht erforderlich; dies gilt selbst dann, wenn gleichzeitig eine Divergenzvorlage in Betracht käme (BGH, Beschlüsse vom 22. November 1994 - GSSt 2/94, BGHSt 40, 360, 365 f.; vom 23. August 2007 -
IV. Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die Vorlegungsfrage in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Sinne.
Er hält an den in der jahrzehntelangen, gefestigten Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, soweit sie für die Entscheidung des vorliegenden Falles von Bedeutung sind, fest. § 252 StPO enthält - was hier als Vorfrage der Klärung durch den Großen Senat für Strafsachen obliegt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 1994 - GSSt 2 und 3/93, BGHSt 40,
1. § 252 StPO verbietet es nicht, den Ermittlungsrichter in der Hauptverhandlung zu den Angaben eines Zeugen zu vernehmen, die der Zeuge vor dem Richter gemacht hat, nachdem er über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden war.
a) Das bisherige Verständnis des Regelungsgehalts des § 252 StPO ist in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich.
aa) Das Reichsgericht hat dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend in zahlreichen Entscheidungen die Norm dahin ausgelegt, sie enthalte lediglich ein Verlesungs-, nicht aber ein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot (vgl. etwa RG, Urteile vom 1. November 1881 - Rep. 2453/81, RGSt 5, 142, 143; vom 26. Mai 1887 - Rep. 1002/87, RGSt 16, 119, 120; vom 21. November 1901 - Rep. 4486/01, RGSt 35, 5; vom 5. Mai 1914 -
Hiervon abgewichen ist sodann der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone, der entschieden hat, ein Polizeibeamter dürfe über frühere Aussagen eines Zeugen nicht vernommen werden, wenn dieser in der Hauptverhandlung berechtigterweise die Aussage verweigert (OGH, Urteil vom 5. März 1949 - StS 131/48, OGHSt 1, 299).
Dem hat sich der Bundesgerichtshof angeschlossen, allerdings weiterführend bereits in einer sehr frühen Entscheidung mit ausführlicher Begründung dahin erkannt, dass über den Inhalt einer Aussage, die der Zeuge bei einer früheren richterlichen Vernehmung nach Hinweis auf sein Zeugnisverweigerungsrecht gemacht hat, durch Vernehmung des Richters Beweis erhoben werden dürfe (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51, BGHSt 2,
Somit enthält § 252 StPO nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über seinen Wortlaut hinaus nicht nur ein Verlesungs-, sondern auch ein Verwertungsverbot. Dieses schließt in der Regel auch die Feststellung des Inhalts der früheren Aussage durch andere Beweismittel und damit jede Verwertung der bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussage eines Zeugen aus, wenn dieser in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO berechtigt das Zeugnis verweigert und nicht ausdrücklich die Verwertung seiner früheren Bekundungen gestattet. Deren Einführung durch Aussage einer früheren Vernehmungsperson ist danach ebenfalls grundsätzlich unzulässig. Von diesem Verbot sind allerdings solche Bekundungen ausgenommen, die ein Zeuge nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht im Bewusstsein der Bedeutung und Tragweite dieses Rechts vor einem Richter gemacht hat. Sie dürfen durch Vernehmung des Richters in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden (vgl. aus neuerer Zeit etwa BGH, Urteile vom 8. Dezember 1999 -
Die unterschiedliche Behandlung von richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen hat der Bundesgerichtshof in älteren Entscheidungen damit begründet, dass der Richter - anders als nach damaliger Rechtslage ein Polizeibeamter oder Staatsanwalt - verpflichtet sei, Zeugen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hinzuweisen (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51, BGHSt 2,
Voraussetzung für eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verwertungsverbot des § 252 StPO ist eine ordnungsgemäße Belehrung über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts und die sich daraus ergebende Möglichkeit für den Zeugen, aus diesem Grund keine Angaben zur Sache zu machen. Nicht erforderlich ist es hingegen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, den aussageverweigerungsberechtigten Zeugen über die Folgen eines Verzichts auf das Auskunftsverweigerungsrecht, insbesondere über die weitere Verwertbarkeit auch im Falle einer späteren Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung, "qualifiziert" zu belehren (BGH, Urteil vom 29. Juni 1983 -
bb) Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung nicht beanstandet und betont, der Ermittlungsrichter sei in besonderer Weise geeignet - und vom Gesetzgeber dafür vorgesehen -, präventiven Rechtsschutz zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 -
cc) Die Auffassung des Bundesgerichtshofs hat im Schrifttum seit jeher zum Teil Zustimmung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 252 Rn. 14; KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 252 Rn. 22 ff.; KMR-Paulus, § 252 Rn. 20 ff.; BeckOK-StPO/Ganter, StPO, § 252 Rn. 25 ff.; Krey, Gedächtnisschrift Meyer, S. 239, 242 f.; Bosch, Jura 2012,
b) Die Auslegung des § 252 StPO führt zu einem Verständnis der Norm, das der Vernehmung eines Ermittlungsrichters, vor dem der zeugnisverweigerungsberechtigte, hierüber belehrte Zeuge ausgesagt hat, nicht im Sinne eines umfassenden Verwertungsverbots entgegen steht.
aa) Ein Verbot, den Inhalt einer früheren Aussage eines Zeugen, der nach § 52 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist, dadurch in die Hauptverhandlung einzuführen, dass der Richter, der den Zeugen in dem die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahren vernommen hat, zum Gehalt der betreffenden Aussage gehört wird, folgt zunächst nicht aus dem - insoweit eindeutigen - Wortlaut der Norm. Nach diesem ist es vielmehr lediglich untersagt, die frühere Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung zu verlesen, mithin sie durch Verlesung des hierüber erstellten Protokolls zu Beweiszwecken in die Hauptverhandlung einzuführen. Dieses Wortverständnis steht mit dem sonstigen Sprachgebrauch der Strafprozessordnung im Einklang, wie er etwa in § 249 StPO Eingang gefunden hat und liegt auch in anderem Zusammenhang der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde (vgl. etwa BGH, Urteile vom 23. September 1999 - 4 StR 189/99, BGHSt 45,
bb) Die Beachtung der Gesetzessystematik führt zu demselben Ergebnis.
(1) § 252 StPO ist in die Vorschriften zum Urkundenbeweis (§§ 249 ff. StPO) eingestellt. Deren Regelungsgegenstand ist die Beweiserhebung gerade durch Verlesung von Urkunden in der Hauptverhandlung oder ihrer Einführung im Selbstleseverfahren. In den dadurch begründeten Sachzusammenhang würde sich § 252 StPO nicht bruchlos einfügen, wollte man ihm ein Verwertungsverbot bezüglich der Vernehmung eines Richters über eine vor ihm getätigte Aussage eines nach § 52 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen entnehmen. Der unter systematischen Gesichtspunkten passende Standort für ein derartiges Verbot läge eher bei den §§ 52 ff. StPO, welche die inhaltlichen Regelungen zu den Zeugnisverweigerungsrechten enthalten.
(2) § 252 StPO erlangt jedenfalls nach heutiger Rechtslage nicht nur dann eine eigenständige Bedeutung, wenn man ihm ein Verwertungsverbot in dem dargelegten Sinne entnimmt; die Norm geht insbesondere über den Regelungsgehalt des § 250 Satz 2 StPO hinaus. Zwar ist bereits dort bestimmt, dass die Vernehmung eines Zeugen nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden darf. Von diesem Grundsatz macht jedoch § 251 StPO Ausnahmen. Mit Blick auf die Verlesungsmöglichkeiten nach § 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 StPO dürften somit ohne die Bestimmung des § 252 StPO Niederschriften über die vormalige Vernehmung des Zeugen, der in der Hauptverhandlung erstmals von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, bei einem Einverständnis der Verfahrensbeteiligten verlesen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. April 2007 - 4 StR 345/06, BGHSt 51,
(3) Hinzu kommt, dass die Strafprozessordnung der Zeugenvernehmung durch einen Richter an verschiedenen Stellen eine besondere Bedeutung einräumt. Dies zeigt sich etwa in § 251 Abs. 2 StPO, der die Verlesung von Niederschriften über eine richterliche Vernehmung auch in Fällen zulässt, in denen § 250 Satz 2, § 251 Abs. 1 StPO dies bei sonstigen Vernehmungsprotokollen nicht erlauben. Gemäß § 168c Abs. 2 StPO ist bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet; hieraus resultieren auch entsprechende Fragerechte. Eine entsprechende Regelung für nichtrichterliche Vernehmungen besteht nicht. Zudem ist nur ein Richter befugt, eine eidliche Vernehmung vorzunehmen (§ 161a Abs. 1 Satz 3 StPO). Deshalb kann sich ein Zeuge wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) oder Meineids (§ 154 StGB) nur strafbar machen, wenn er von einem Richter, nicht aber wenn er von einem Polizeibeamten oder Staatsanwalt vernommen wird.
cc) Der Wille des Gesetzgebers steht jedenfalls einem Verständnis des § 252 StPO im Sinne der bisherigen Rechtsprechung, soweit für die vorliegende Fallgestaltung relevant, nicht entgegen.
(1) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift enthält keine deutlichen Hinweise darauf, dass der Wille des historischen Gesetzgebers dahin ging, einen allumfassenden Schutz der Aussagefreiheit des zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen sicherzustellen. Als Indiz für den gesetzgeberischen Willen kommen im Wesentlichen allein Äußerungen von Abgeordneten in der zweiten Plenarberatung in Betracht, deren Bedeutung für die vorliegende Fallgestaltung sich allerdings nicht ohne Weiteres erschließt.
Die Entwürfe zur Reichsstrafprozessordnung enthielten ursprünglich keine dem § 252 StPO entsprechende Vorschrift. Eine Bestimmung dieses Inhalts konnte als praktisch überflüssig angesehen werden, weil die Verlesung der Niederschrift über eine außerhalb der Hauptverhandlung getätigte Zeugenaussage bereits nach dem heutigen § 250 Satz 2 StPO (§ 212 des Entwurfs) unzulässig gewesen wäre und ein Fall der - enger als der heutige § 251 StPO gefassten - Ausnahmevorschrift des § 213 des Entwurfs nicht vorlag (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 3, Abteilung 1, 2. Aufl., S. 856 f.). Die Aufnahme einer § 252 StPO entsprechenden Norm (§
Die Frage, ob die Vernehmung einer Verhörsperson zulässig sei, wurde im Gesetzgebungsverfahren nur ein einziges Mal angesprochen. In der zweiten Plenarberatung machte der Abgeordnete L. geltend, dass die "historisch gewordene Tatsache" der vormaligen Aussage des Zeugen dem weiteren Verfahren zur Wahrheitsermittlung zur Verfügung gestellt werden müsse. Weiter trug er das "formelle Bedenken" vor, dass bei Annahme des Kommissionsantrags eine Vernehmung von Verhörspersonen über die Aussage nicht ausgeschlossen sei. Außerdem lasse sich nicht verhindern, dass die Aussage in den Schlussvorträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung wiedergegeben oder im Beratungszimmer durch "einen Blick in die Akten" festgestellt werde (vgl. Hahn, aaO, S. 1901). Der Berichterstatter S. wandte daraufhin ein, dass jede Gesetzgebung aufhöre, wenn durch derartige Manipulationen "der Gedanke und die Vorschrift des Gesetzes illusorisch gemacht werden" könnten und dürften; die Gesetze müssten "von den Beamten in einer Weise gehandhabt werden, dass der Sinn, den der Gesetzgeber damit verbunden hat, respektiert" werde (Hahn, aaO, Abteilung 2, S. 1902). Im Einzelnen griff er als "Manipulation" die - gegen den heutigen § 261 StPO sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßende - Einführung und Verwertung des Inhalts der Aussage über die Schlussvorträge sowie durch Aktenstudium im Beratungszimmer an und befasste sich nicht weiter mit der Vernehmung der Verhörsperson (vgl. auch Rogall, Festschrift Otto, S. 973, 978).
Somit bleibt unklar, inwieweit die Äußerungen des Berichterstatters S. als Erwiderung auf den Abgeordneten L. sich überhaupt auf die Möglichkeit der Vernehmung einer Verhörsperson beziehen. Dies erhellt sich auch nicht durch den weiteren Verlauf der Beratungen, denn in diesen wurde die betreffende Frage nicht mehr angesprochen. Die dem heutigen § 252 StPO entsprechende Vorschrift wurde schließlich in der von der Reichsjustizkommission vorgeschlagenen Fassung unverändert angenommen (vgl. Hahn, aaO, S. 1903).
(2) Auch ein - mit Blick auf den Zeitablauf im Vergleich zu den Intentionen des historischen Gesetzgebers ohnehin bedeutsamerer - Wille des aktuellen Gesetzgebers, § 252 StPO dahin zu verstehen, dass dieser es verbietet, richterliche Vernehmungspersonen in der Hauptverhandlung als Zeugen zu hören, ist nicht erkennbar. Der Gesetzgeber hat ersichtlich bislang über mehrere Jahrzehnte keinen Anlass gesehen, die Auslegung der Norm durch die Rechtsprechung zu korrigieren. Auch bei der Einführung des § 255a StPO, der die Möglichkeit einräumt, Bild-Ton-Aufzeichnungen einer Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung vorzuführen, hat er keinen Anlass gesehen, § 252 StPO zu modifizieren, obwohl der in § 255a Abs. 1 StPO enthaltene Verweis auf § 252 StPO dazu führt, dass die Videoaufzeichnung und damit das qualitativ höherwertige Beweismittel nicht verwertet werden darf, während nach der von der Rechtsprechung zu § 252 StPO vertretenen Auffassung der Rückgriff auf die Aussage des Richters über den Vernehmungsinhalt gestattet ist. Der Gesetzgeber hat sogar nicht reagiert, nachdem die Rechtsprechung ausdrücklich auf diesen Wertungswiderspruch hingewiesen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 -
dd) Sinn und Zweck der §§ 52, 252 StPO sprechen im Ergebnis ebenfalls nicht dagegen, in den Fällen des § 252 StPO die Vernehmung des Richters in der Hauptverhandlung über die vor ihm getätigte Zeugenaussage zuzulassen.
(1) § 52 StPO trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, seinen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Die Norm soll folglich in erster Linie den Zeugen vor Konflikten schützen, die aus den Besonderheiten der Vernehmungssituation entstehen, insbesondere einerseits durch die Wahrheitspflicht bei der Zeugenvernehmung und andererseits durch die sozialen Pflichten, die aus der persönlichen Bindung gegenüber dem Beschuldigten bzw. Angeklagten erwachsen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 8. Dezember 1958 -
(2) Diesem Schutz des Zeugen steht jedenfalls die Wahrheitsfindung als zentrales Anliegen des Strafprozesses und deshalb als Gesichtspunkt, der auch bei der an Sinn und Zweck der Norm orientierten Auslegung des § 252 StPO nicht außer Betracht bleiben darf, gegenüber. Die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten - zu denen auch die hier vorliegende zählt - stellt einen wesentlichen Auftrag des rechtsstaatlichen Gemeinwesens dar (vgl. BVerfG, Urteile vom 3. März 2004 -
ee) Mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen trägt das dargelegte Verständnis des § 252 StPO schließlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 -
2. Die Verwertung der Erkenntnisse aus der früheren ermittlungsrichterlichen Vernehmung des Zeugen setzt eine über den Regelungsgehalt des § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO hinausgehende Belehrung nicht voraus; der Zeuge muss insbesondere nicht darauf hingewiesen werden, dass die Möglichkeit besteht, den vernehmenden Richter im weiteren Verfahren zu der Aussage des Zeugen zu hören.
a) Die Strafprozessordnung sieht in § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO, gegebenenfalls i.V.m. § 163 Abs. 3 Satz 1, § 161a Abs. 1 Satz 2 StPO, lediglich vor, dass der zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigte Zeuge über dieses Recht zu belehren ist. Dabei ist dem Zeugen eine genügende Vorstellung von der Bedeutung seines Weigerungsrechts zu vermitteln, ohne dass auf seine Entschließungsfreiheit eingewirkt wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 52 Rn. 26 mwN). Weitere, im vorliegenden Zusammenhang relevante Belehrungspflichten enthält das Gesetz nicht. Nach seiner - etwa auch bei § 55 Abs. 2 StPO deutlich werdenden - Konzeption gehört es insbesondere nicht zu einer ordnungsgemäßen Unterrichtung des Zeugen, dass dieser auch darüber informiert wird, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn er zunächst aussagt, später jedoch von seinem Weigerungsrecht Gebrauch macht.
b) Es besteht kein Anlass, über die geltende Gesetzeslage hinaus die Vernehmung eines Richters zum Inhalt einer vor ihm getätigten Zeugenaussage von einer weiteren Belehrung des Zeugen abhängig zu machen.
aa) Ausdrückliche Belehrungen über die Möglichkeit, Angaben von Verfahrensbeteiligten im weiteren Verfahren zu verwerten, sind dem deutschen Strafprozessrecht auch in anderen Konstellationen fremd.
(1) Dies zeigt zunächst die Regelung des § 52 Abs. 3 Satz 2 StPO. Die Vorschrift ermöglicht es dem Zeugen, einen Verzicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht auch noch während der Vernehmung zu widerrufen. Die Vernehmung darf in diesem Fall nicht durch- bzw. fortgeführt werden. Was der Zeuge vor dem Widerruf ausgesagt hat, kann allerdings verwertet werden (BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 341/51, BGHSt 2,
(2) Gegen die Notwendigkeit einer im Sinne des vorlegenden Senats erweiterten Belehrung streitet auch der Vergleich mit der Rechtslage bei einem Beschuldigten. Dessen Aussagefreiheit und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung sind in der Verfassung verankert. Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit umfasst das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen. Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 -
(3) Die Fälle, in denen die Rechtsprechung eine über den Gesetzeswortlaut des § 136 Abs. 1 Satz 2 ff. StPO hinausgehende sog. qualifizierte Belehrung verlangt, unterscheiden sich grundlegend von der Konstellation bei einem sich erst in der Hauptverhandlung zum Gebrauch des Zeugnisverweigerungsrechts entschließenden Zeugen. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen zunächst ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht gegeben ist, der Beschuldigte aber später erneut vernommen wird. Dann ist der Beschuldigte über den Regelungsgehalt des § 136 Abs. 1 Satz 2 ff. StPO hinaus auch darauf hinzuweisen, dass wegen der bisher fehlerhaften bzw. unterbliebenen Belehrung die vorangehenden Angaben unverwertbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112, 115). In diesen Fällen dient die sog. qualifizierte Belehrung somit dazu, einen anlässlich einer früheren Vernehmung zu Tage getretenen Verfahrensfehler zu korrigieren, mithin die Möglichkeit seiner Fortwirkung zu beseitigen und so den Einfluss des früheren Fehlers auf die neuen Angaben möglichst auszuschließen. Demgegenüber geht es hier darum, ob ein Zeuge über die Möglichkeit der künftigen Verwertung seiner - als solchen ordnungsgemäß zustande gekommenen - Aussage zu informieren ist.
(4) Soweit der Bundesgerichtshof im Übrigen Belehrungspflichten auch ohne eine ausdrückliche diesbezügliche gesetzliche Regelung anerkannt hat, betrifft dies insbesondere Fälle gesetzlich nicht bzw. nicht näher geregelter Befragungen, z.B. vor der Exploration einer Aussageperson durch einen Sachverständigen (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 1989 -
bb) Es ist nicht davon auszugehen, dass die in der bisherigen Rechtsprechung vertretene Ansicht zum notwendigen Belehrungsinhalt dem Willen des Gesetzgebers widerspricht. Dieser hatte auch insoweit in Kenntnis der jahrzehntelangen Rechtspraxis ausreichend - z.B. bei der Einführung der Belehrungspflicht bei polizeilichen Vernehmungen oder des § 255a StPO - Gelegenheit, die Belehrungsregelungen etwa im Sinne des Anliegens des anfragenden Senats zu modifizieren. Dies hat er bislang jedoch unterlassen.
cc) Art.
dd) Weiter ist für den hier vorliegenden Fall der richterlichen Vernehmung in dem konkreten Ermittlungsverfahren von Belang, dass dem Zeugen wegen deren für ihn erkennbaren und regelmäßig von ihm empfundenen erhöhten Bedeutung für das Verfahren nach der Belehrung gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO deutlicher als bei einer polizeilichen Vernehmung vor Augen steht, dass er sich zwar aus dem ihn treffenden Interessenwiderstreit, eine nahestehende Person belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen, durch Gebrauchmachen von dem Zeugnisverweigerungsrecht befreien, aber, falls er aussagt, diese Angaben vor einem Richter nicht ohne Weiteres wieder beseitigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 -
3. Der Große Senat für Strafsachen weist abschließend darauf hin, dass mit dieser Entscheidung nur ein Teil der sich bei der Anwendung des § 252 StPO ergebenden Fragen geklärt ist. Wie dargelegt bestehen über die Vorlagefrage hinaus in dem derzeitigen Normengefüge Wertungswidersprüche, etwa zwischen § 252 StPO und § 255a StPO. Strafverfahren, bei denen der Regelungsbereich der §§ 52, 252 StPO betroffen ist, gehören - z.B. wenn sie Fälle des innerfamiliären sexuellen Missbrauchs betreffen - häufig zu denjenigen, bei denen einerseits die Beweissituation typischerweise besonders schwierig ist und andererseits die persönlichen Interessen der Beteiligten in besonderer Weise berührt werden. Hinzu kommt, dass der verstärkte Einsatz technischer Vernehmungshilfen im Ermittlungsverfahren und der Transfer der so gewonnenen Beweisergebnisse in die Hauptverhandlung derzeit im Fokus von die Strafprozessordnung betreffenden Änderungsvorschlägen stehen. Mit Blick auf diese Umstände und vor dem Hintergrund der außerordentlich hohen Praxisrelevanz des hier bedeutsamen Regelungskomplexes erscheint dem Großen Senat für Strafsachen ein Tätigwerden des Gesetzgebers mit dem Ziel, ein in sich stimmiges Gesamtgefüge zu entwickeln, unabdingbar.