Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 20. Dezember 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass er bezüglich der Einziehungsentscheidung als Gesamtschuldner haftet.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Schleusung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter banden- und gewerbsmäßiger Schleusung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten ist unbegründet.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der seit Ende 2015 in Deutschland lebende Angeklagte, ein irakischer Staatsbürger, seit August 2015 in der Türkei auf. Dort schloss er sich einer Gruppierung an, die mit der Schleusung von Staatsangehörigen aus Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten) von der Türkei nach Griechenland Geld verdiente. Diese Gruppe bestand aus O. A. und G. als "Akquisiteuren" und den bis zur eigentlichen Schleusung zur Verfügung stehenden Ansprechpartnern der Schleusungswilligen, dem vornehmlich im Hintergrund agierenden "Chef" F. , dem vorrangig in der Türkei als Wohnungsvermittler und Zahlstellenverwalter tätigen Angeklagten sowie "M. dem Syrer" als Zubringer und Verbindungsmann zu den am Strand die eigentlichen Seeschleusungen organisierenden Gruppierungen und weiteren, unbekannt gebliebenen Personen. Alle arbeiteten arbeitsteilig daran mit, gegen Zahlung erheblicher Geldbeträge (ca. 10.000 Euro pro Familie) vornehmlich irakische Staatsangehörige nach Griechenland zu schleusen. Verfahrensgegenständlich sind Taten zum Nachteil der irakischen Familien Y. , T. , J. , A. , Me. /Al. und As. .
I.
Den Geschleusten wurde dabei wahrheitswidrig vorgespiegelt, die Überfahrt nach Griechenland werde mit komfortablen und sicheren Jachten durchgeführt. Tatsächlich wurden sie am 28. Oktober 2015 an den Strand gefahren, wo sie auf andere Schleusungswillige und bewaffnete Schleuser trafen und auf ein völlig überfülltes Holzschiff getrieben wurden. Schwimmwesten konnten am Strand für 50 Euro erworben werden, den Kindern waren sie allerdings zu groß. Mit mindestens 256 Passagieren war das kleine Holzschiff völlig überladen. Bei noch schönem Wetter stach das Schiff in Richtung der sichtbaren griechischen Küste in See. Der mit einer Schusswaffe bewaffnete Kapitän verließ nach einigen Minuten das Schiff und setzte sich in ein Beiboot ab. Er übergab das Ruder einem mit der Führung eines solchen Schiffes völlig unerfahrenen Geschleusten, der dadurch seinen Schleuserlohn sparte. Deshalb aufkommender Unruhe unter den Passagieren begegnete der Kapitän mit mehreren Schüssen in die Luft.
Fünfzehn bis fünfundzwanzig Minuten später kam es bei zunehmendem Wind und Seegang zur Havarie des Schiffes, das schließlich in mehrere Teile zerbrach und an einer nicht genau feststellbaren Position zwischen der türkischen Küste und der Insel Lesbos sank. Die Schiffbrüchigen trieben daraufhin zwischen zwei und fünf Stunden im Wasser. Zahlreiche von ihnen, insbesondere Kinder, kamen zu Tode, darunter eine Tochter des Zeugen T. , eine Tochter des Zeugen J. , Mann und Sohn der Zeugin Me. . Zwei weitere Kinder der Familien As. und Me. werden seitdem vermisst. Ein Großteil der Überlebenden, auch aus den geschleusten Familien, wurde von der griechischen Küstenwache geborgen und nach Griechenland gebracht.
II.
Die Revision ist unbegründet. Über die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift hinaus bedarf Folgendes der Erörterung:
1. Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Der Angeklagte hat zwar als Ausländer im Ausland gehandelt, wobei auch die Voraussetzungen der §§ 5 bis 7 StGB nicht vorliegen. Die Strafbarkeit nach deutschem Recht bestimmt aber §
a) Danach sind die Schleuserstraftatbestände in § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Abs.
Mit dieser Regelung ist der deutsche Gesetzgeber seiner früher in Art. 27 SDÜ geregelten Verpflichtung aus der Richtlinie 2002/90/EG (in Verbindung mit dem Rahmenbeschluss 2002/946/JI vom 28. November 2002) nachgekommen, wonach die Mitgliedstaaten der EU gehalten sind, nicht nur die unerlaubte Ein- bzw. Durchreise sowie den unerlaubten Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet, sondern auch betreffend das Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten zu sanktionieren (BT-Drucks. 16/5065, S. 200). Durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (vom 19. August 2007, BGBl. I S.
b) Der Bundesgerichtshof hat bereits in einem Fall wie dem vorliegenden (Schleusung von Drittstaatsangehörigen per Boot von der Türkei nach Griechenland durch einen syrischen Staatsangehörigen) bei einer Auslandstat durch einen Ausländer aufgrund §
Soweit für die Anwendung deutscher Strafgewalt zusätzlich ein legitimierender inländischer Anknüpfungspunkt gefordert wird, der sich daraus ergeben könne, dass der Angeklagte seinen Wohnsitz im Inland habe, hier festgenommen werde oder die Gefahr bestehe, dass die Geschleusten illegal nach Deutschland einreisten (vgl. Hohoff aaO Rn. 24; Gericke aaO Rn. 41; Senge aaO Rn. 31; Fahlbusch aaO Rn. 82; aA Winkelmann aaO Rn. 21), wäre all dies vorliegend gegeben.
c) Die Voraussetzungen der Anwendung deutschen Strafrechts nach §
2. Soweit der Angeklagte die Unverwertbarkeit seiner Angaben in einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung mangels Mitwirkung eines Verteidigers rügt, ist die Verfahrensrüge jedenfalls unbegründet.
a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt der Rüge zugrunde:
Gegen den Angeklagten wurde wegen des verfahrensgegenständlichen Vorwurfs am 23. Oktober 2017 Haftbefehl erlassen. Auf Grund dessen wurde er am 25. Oktober 2017 ergriffen und der Ermittlungsrichterin vorgeführt. Schon gegenüber der Polizei hatte er nachhaltig und vehement abgelehnt, sich von einem Rechtsanwalt begleiten zu lassen. Die Ermittlungsrichterin versuchte vor der Vorführung mehrfach vergeblich telefonisch, einen Verteidiger für den Angeklagten zu finden. Teils waren die angerufenen Rechtsanwälte nicht erreichbar, teils lehnten sie eine Übernahme des Mandats ab. Nach Verkündung des Haftbefehls wurde der Angeklagte nach § 136 Abs. 1 StPO belehrt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich der Unterstützung eines Verteidigers bedienen könne. Der Angeklagte erklärte daraufhin, er werde einen Anwalt kontaktieren, wenn er das für nötig befinde. Dann machte er ganz überwiegend bestreitende Angaben zur Sache. Am Ende des Termins wurde die Aufrechterhaltung des Haftbefehls beschlossen. Anschließend erklärte der Angeklagte, das Gericht möge ihm einen Anwalt aussuchen. Im Anschluss daran wurde der Angeklagte von der Bundespolizei erneut über seine Rechte, insbesondere das Recht auf Zuziehung und Befragung eines Verteidigers belehrt, und weiter vernommen, ebenso am nächsten Tag. Am 26. Oktober 2017 erreichte die Ermittlungsrichterin einen zur Übernahme des Mandats bereiten Rechtsanwalt und ordnete diesen dem Angeklagten als Pflichtverteidiger bei. Der Verteidiger hat der Verwertung der Angaben aus den Vernehmungen in der Hauptverhandlung widersprochen. Das Landgericht hat diese Angaben im Rahmen seiner Beweiswürdigung jedenfalls teilweise zu Lasten des Angeklagten verwertet.
b) Es ist bereits fraglich, ob die Neuregelung des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO gebietet, vor jeder richterlichen Vernehmung eines aufgrund Haftbefehls Ergriffenen nach § 115 Abs. 2 StPO (bzw. § 115a Abs. 2 und in Fällen des § 128 Abs. 1 Satz 2 StPO) die Bestellung eines Pflichtverteidigers vorzunehmen (so LG Halle, StraFo 2018,
Denn einer solchen Auslegung stehen gewichtige historische und systematische Argumente entgegen (zutreffend Tully/Wenske, NStZ 2019,
Jedenfalls würde aus einer Verletzung von § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO nicht ohne Weiteres ein Beweisverwertungsverbot folgen. Ein solches liegt gerade dann fern, wenn sich die Ermittlungsrichterin - wie hier - erfolglos um das Erreichen eines zur Mandatsübernahme bereiten Verteidigers bemüht und der Beschuldigte nach Belehrung ausdrücklich auf die Hinzuziehung eines Verteidigers verzichtet hat. Im Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des aufgrund Haftbefehls festgenommenen Beschuldigten auf unverzügliche Vorführung und Vernehmung zwecks Prüfung der Haftfrage (vgl. BGH aaO) und dem Gebot, ihm gegebenenfalls zuvor noch einen Verteidiger zu bestellen, kam der Ermittlungsrichterin ein nur eingeschränkt überprüfbarer Wertungsspielraum zu, welcher Rechtsposition sie im hier vorliegenden Konfliktfall den Vorrang gibt. Dass sie davon in unvertretbarer Weise Gebrauch gemacht haben könnte, liegt fern. Weil seine Angaben aus der ermittlungsrichterlichen Vernehmung verwertbar waren, bedurfte es bei den nachfolgenden Vernehmungen auch keiner qualifizierten Belehrung des Angeklagten.
3. Unbegründet ist die Rüge, die Strafkammer habe zu Unrecht die Angaben des Beschuldigten gegenüber einer Vertrauensperson zu seinem Nachteil verwertet. Zu Recht hat das Landgericht insoweit kein Beweisverwertungsverbot angenommen.
Dem liegt zugrunde, dass die Bundespolizei im August 2017 eine Vertrauensperson (VP) zur Aufklärung des Tatgeschehens im Oktober 2015 und zur Identifizierung der daran Beteiligten eingesetzt hatte. Die VP trat im September 2017 mit dem bis dahin nicht beschuldigten Angeklagten in Kontakt und gab sich als "Handy-Händler" aus, der ein Geschäft eröffnen wolle und dafür Mitarbeiter suche. Der Angeklagte erzählte ihr darauf, er habe sieben Jahre in der Türkei gearbeitet und Menschen nach Griechenland geschleust. Die VP täuschte vor, sie benötige Hilfe dabei, ihre Schwester nach Deutschland zu schleusen. Bei einem weiteren Treffen im September 2017 berichtete der Angeklagte weiter von seiner Einbindung in Schleusungstaten. Etwa einen Monat später erläuterte der Angeklagte der VP in Zusammenhang mit deren Frage nach einer Schleusung ihrer Schwester, dass er im September 2017 in ein Bootsunglück mit Flüchtlingen involviert gewesen sei. Später machte er noch weitere Angaben und bot seine Mitwirkung bei der Schleusung der Schwester der VP an.
Ein Verwertungsverbot folgt aus diesem Vorgehen nicht. Weder wurde damit eine zuvor erklärte Berufung auf das Schweigerecht missachtet (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 -
4. Keinen Erfolg hat auch die Rüge eines Verstoßes gegen § 247a Abs. 1 StPO. Zwar hat die Strafkammer den entsprechenden Beschluss erst nach der Vernehmung verkündet. Hierdurch wurde aber der zunächst begangene Rechtsfehler geheilt. Mit diesem nachträglichen Beschluss hat der gesamte Spruchkörper die Verantwortung für diese besondere Form der Beweiserhebung übernommen. Zugleich wurde jedenfalls kurz der Grund für die Videovernehmung der beiden Zeugen genannt, die nicht nach Deutschland einreisen konnten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2017 -
5. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei; die Feststellungen tragen den Schuldspruch (vgl. zur versuchten Schleusung mit Todesfolge auch
6. Lediglich die Einziehungsentscheidung bedarf der Ergänzung dahingehend, dass der Angeklagte dafür als Gesamtschuldner haftet (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 -