Allgemeines zu Recht auf Einsicht in Lebensakte, Reparaturnachweise der Messgeräte bei Bußgeldverfahren

Autor: Sitter

Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG v. 12.11.2020 - 2 BvR 1616/18, NVZ 2021, 41) haben Betroffene in einem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung grundsätzlich Anspruch auf Zugang auch zu Informationen, die sich nicht in der Bußgeldakte befinden, um den Vorwurf zu prüfen. Dies folge aus dem Recht auf ein faires Verfahren. Begehrt der Betroffene die Einsicht in die Rohmessdaten, ist dem grundsätzlich stattzugeben. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 28.04.2021 - 2 BvR 1451/18, DRsp Nr. 2021/7938, diese Rechtsprechung auf die Herausgabe der Lebensakte erweitert, soweit eine solche geführt wird.

Diese Rechtsprechung beendet ein jahrelanges, für den Verteidiger höchst unerfreuliches Tauziehen mit Bußgeldbehörden und -richtern, die die Herausgabe i.d.R. verweigerten, weil dies zur weiteren Sachaufklärung nicht erforderlich sei. Beantragte der Verteidiger bei der Bußgeldbehörde die Herausgabe, erntete er oft Schweigen, selbst wenn er den für diesen Fall gesetzlich vorgesehenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gestellt hatte. Besonders unerfreulich: Lag die Akte dann beim Amtsgericht, meinte der Bußgeldrichter zumeist, dass er jetzt zu spät für den Antrag nach § 62 OWiG sei und der Verteidiger ja einen Beweisantrag in der Hauptverhandlung stellen könne; den das Gericht dann zurückwies mit der Begründung, dies sei ja "nicht erforderlich".