BGH - Urteil vom 22.01.2015
3 StR 410/14
Normen:
StGB § 235 Abs. 4 Nr. 1;
Fundstellen:
FamRZ 2015, 1031
NStZ 2015, 338
NStZ 2015, 645
NStZ-RR 2015, 5
Vorinstanzen:
LG Koblenz, vom 26.03.2014

Entziehung einer Minderjährigen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung

BGH, Urteil vom 22.01.2015 - Aktenzeichen 3 StR 410/14

DRsp Nr. 2015/6226

Entziehung einer Minderjährigen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung

1. Nach § 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich unter anderem strafbar, wer eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt einem Elternteil entzieht oder vorenthält. Das ist dann der Fall, wenn die Personensorge, also die Pflicht und das Recht der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zur Pflege, Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmung durch räumliche Trennung für eine gewisse, nicht nur ganz vorübergehende Dauer so wesentlich beeinträchtigt wird, dass sie nicht mehr ausgeübt werden kann.2. Bei Minderjährigen ist der gewöhnliche Aufenthalt selbständig auf ihre Person bezogen zu ermitteln; er leitet sich nicht vom gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz des Sorgeberechtigten ab.3. Hat der alleinige Sorgeberechtigte zur Ausreise und dem vorübergehenden Aufenthalt des Kindes im Ausland (hier: in Syrien) die Zustimmung erteilt, scheidet, auch wenn der Minderjährige durch eine List dorthin gelockt wurde, eine Strafbarkeit wegen Entziehung Minderjähriger aus.4. Tatbestandsmäßig im Sinne des § Abs. ist ein Verhalten nur, wenn es die - zunächst vorhandene - Fähigkeit eines Menschen beseitigt, sich nach seinem Willen fortzubewegen, ihn hindert, den gegenwärtigen Aufenthaltsort zu verlassen; dies setzt voraus, dass die Fortbewegungsfreiheit vollständig aufgehoben wird.