10/8.3.10 Erwerbsobliegenheit

Autoren: Mainz-Kwasniok/Schönenberg-Wessel

Angemessene Tätigkeit

Die Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit beider Eheleute bildet den Hintergrund der Systematik und der Auslegung des gesamten nachehelichen Unterhaltsrechts. § 1569 BGB normiert den für den nachehelichen Unterhalt maßgeblichen Grundsatz der Eigenverantwortung. Er ist keine Anspruchsgrundlage für den nachehelichen Unterhalt, vielmehr legt die Vorschrift den gesetzlichen Regelfall fest. Die anschließenden nachehelichen Unterhaltstatbestände der §§ 1570 ff. BGB bilden daher eine Ausnahme hiervon. Zur Erwerbsobliegenheit können Vereinbarungen getroffen werden, z.B. können die Eheleute unstreitig stellen, was sie einvernehmlich unter einer dem Unterhaltsberechtigten angemessenen Tätigkeit verstehen. Zum Beispiel können sie Fragen diskutieren und das gemeinsame Ergebnis festhalten: Muss die Ehefrau eines Arztes, die selbst Medizin studiert, aber nie praktiziert hat und die während der Ehe die Praxisräume des Mannes sauber gehalten hat, nach dem Scheitern der Ehe als Reinigungskraft arbeiten? In der vertraglichen Beratung haben Eheleute oft - sogar noch in der Ehekrise - gemeinsame Gerechtigkeitsvorstellungen und finden gemeinsame Antworten.