Zwangsvollstreckung -

Änderung bei Pfändung von Steuererstattungsansprüchen

Der Bundesgerichtshof hat seine bisherige Rechsprechung (Beschl. v. 12.12.2003 - IXa ZB 115/03, NJW2004, 954) zur Pfändung von Steuererstattungsansprüchen aufgegeben.

Wer einen Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuer gepfändet und zur Einziehung überwiesen erhalten hat, kann folglich aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weder einen Anspruch auf Vornahme von Verfahrenshandlungen im Steuerfestsetzungsverfahren gemäß § 888 ZPO durch Haftantrag gegen den Schuldner vollstrecken noch nach § 887 ZPO ermächtigt werden, Verfahrenshandlungen des Schuldners im Steuerfestsetzungsverfahren selbst vorzunehmen.

Sachverhalt:

Zugunsten des Gläubigers hat das AG einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, durch den die angebliche Forderung des Schuldners gegen das Finanzamt auf Erstattung von Einkommen- und Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlag für die Kalenderjahre 2000 bis 2002 gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen wurde.

Die Gläubigerin beantragte u.a. sie zu ermächtigen, das Antragsrecht des Schuldners gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gegenüber der Drittschuldnerin, Finanzamt , für die Kalenderjahre 2000, 2001 und 2002 auszuüben und die Einkommensteuererklärungen zu erstellen, zu unterzeichnen und der Drittschuldnerin einzureichen sowie alle zur Anspruchsdurchsetzung notwendigen Rechtshandlungen vorzunehmen einschließlich eventuell notwendiger Einspruchs- und Klageverfahren oder Antragsstellungen gemäß §§ 163, 227 AO. Das AG wies diesen Antrag zurück.

Mittels sofortiger Beschwerde beantragte der Gläubiger gemäß § 887 ZPO festzustellen bzw. anzuordnen, dass der Gläubiger oder eine von ihr beauftragte dritte Person berechtigt ist, die für die Durchsetzung des gepfändeten Steueranspruchs notwendigen Rechtsmittel einzulegen und Anträge zu stellen, gegebenenfalls auch klageweise gegenüber der Drittschuldnerin geltend zu machen, um die gepfändeten Steuererstattungsansprüche durchzusetzen. Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen in der Beschwerdeinstanz gestellten Antrag weiter.

Entscheidung:

Der BGH wies die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück.

Konsequenzen der Entscheidung:

Die ergangene Entscheidung bedeutet für Gläubiger einen herben Rückschlag, da sie die im Jahre 2003 ergangenen BGH-Enscheidung (NJW 2004, 954) wieder aufhebt und den davor bestehenden Zustand wieder aufleben lässt. Nach dieser Entscheidung konnte der Gläubiger nach der Pfändung und Überweisung eines Steuererstattungsanspruches von dem Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO zugleich auch die Abgabe der Steuererklärung verlangen. Kam der Schuldner dieser Verpflichtung nicht nach, konnte der Anspruch nach § 888 ZPO durch Zwangsmittel, regelmäßig Zwangshaft, durchgesetzt werden, was Schuldner oftmals veranlasst die entspr. Erklärung gegenüber dem Finanzamt abzugeben.

Die jetzige Entscheidung des BGH bedeutet jedoch nicht, dass Gläubiger die Pfändung von Steuererstattungsansprüchen vergessen sollten. Vielmehr wird der Urzustand der früheren Rechtslage wieder hergestellt, was zu einem höheren zeitlichen und letztlich auch Kostenaufwand des Gläubigers führt. Insofern sollte eine Pfändung nur dann vorgenommen werden, wenn sichergestellt ist, dass ein Anspruch auf Steuererstattung besteht. Dies ist insbesondere bei Schuldnern der Fall, die im Laufe des Steuerjahres teilweise arbeitslos waren, die besonders hohe Werbungskosten, etwa weite Wege zwischen Arbeit und Wohnung, oder besonders hohe außergewöhnliche Belastungen haben. Insofern muss zuvor gründlich recherchiert werden.

Da künftig Gläubiger über kein Druckmittel mehr gegen Schuldner verfügen, müssen sie versuchen diesen freiwillig zur Abgabe der Steuererklärung zu bewegen. Dies kann in unterschiedlicher Weise geschehen:

  • Im Rahmen von Ratenzahlungsvereinbarungen kann der Gläubiger darauf dringen, dass ihm der Steuererstattungsanspruch auf dem dafür vorgesehenen Vordruck abgetreten wird (§ 46 Abs. 3 AO). Hierbei ist zu beachten, dass der geschäftsmäßige Erwerb von Steuererstattungsansprüchen nur Kreditinstituten im Rahmen von Sicherungsabtretungen gestattet ist. Die Abtretung an andere Unternehmen und Privatpersonen ist nur zulässig, wenn diese nicht geschäftsmäßig handeln.

Achtung: Abtretungen können dem zuständigen Finanzamt nach § 46 Abs. 2 AO erst dann wirksam angezeigt werden, wenn der abgetretene Erstattungsanspruch entstanden ist d.h. frühestens am 1.1. für das abgelaufene Kalenderjahr!

  • Der Gläubiger muss künftig vermehrt auf den Schuldner persönlich bzw. telefonisch einwirken, um diesen zur Abgabe der Steuererklärung zu bewegen. Dabei müssen die Vorzüge dieser Vorgehensweise in den Vordergrund gestellt werden. Diese besteht darin, dem Schuldner klarzumachen, dass der Schuldner bei Nicht-Antragstellung seine Erstattungsansprüche an den Staat verliert, ohne dass er zugleich seine Verbindlichkeiten reduziert und sich von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers befreit. Hierbei ist daher viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Quelle: Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock - Urteilsanmerkung vom 16.05.08