Familienrecht -

Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil

OLG Köln, Beschl. v. 31.07.2012 - II-4 UF 262/11

Bei einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil sind alle von den Verfahrensbeteiligten vorgebrachten Gesichtspunkte so weit wie möglich aufzuklären und unter Kindeswohlaspekten gegeneinander abzuwägen.

Darum geht es

Die beteiligten Eltern hatten sich darauf verständigt, dass die Mutter zur Betreuung des gemeinsamen Kindes im ersten Lebensjahr Erziehungszeit nimmt. Als sich die Eltern trennten, blieb das Kind bei der Mutter, wo es seit seiner Geburt ununterbrochen lebt. Dem Sachverständigen zufolge ist das Kind altersgerecht entwickelt. Bedenken gegen seine hygienische Versorgung bestehen nicht. Während der wieder aufgenommenen Berufstätigkeit der Mutter ist die Versorgung des Kindes durch eine geeignete Fremdbetreuung sichergestellt. Das AG hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind auf die Mutter übertragen.

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Wesentliche Entscheidungsgründe

Das OLG weist die Beschwerde des Vaters dagegen zurück. Zu Recht hat das AG das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind auf die Mutter übertragen. Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der gesamten oder teilweisen elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf den Antrag stellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Der Maßstab dafür ist nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Kindeswohl. Dessen gewichtige Gesichtspunkte sind die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens (BGH, Beschl. v. 16.03.2011 - XII ZB 407/10).

Die einzelnen Kriterien stehen aber nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander, sondern jedes kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (BGH, Beschl. v. 06.12.1989 - IVb ZB 66/88; BGH, Beschl. v. 28.04.2010 - XII ZB 81/09).

Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalls abwägende Entscheidung. Hierbei sind alle von den Verfahrensbeteiligten vorgebrachten Gesichtspunkte so weit wie möglich aufzuklären und unter Kindeswohlgesichtspunkten gegeneinander abzuwägen, um eine zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung herbeizuführen.

Im vorliegenden Fall ist das OLG nach Auswertung eines Sachverständigengutachtens, der Berichte des Jugendamts, der erstinstanzlichen persönlichen Anhörung der Beteiligten und des Kindes sowie unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens überzeugt, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind auf die Mutter dem Kindeswohl am besten entspricht.

Bei gleicher Erziehungseignung der Eltern spricht der Grundsatz der Kontinuität entscheidend dafür, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter behalten soll. Der festgestellten derzeit etwas stärkeren Orientierung des Kindes am Vater kann mit einem möglichst umfangreichen Umgangsrecht des Vaters ausreichend Rechnung getragen werden.

Neben der Bindung zur Mutter verfügt das Kind über Kontakte, die es bei einem Wechsel zum Vater verlieren müsste. Das Kind geht sehr gerne in die Kita und ist unproblematisch, sehr sozial, freundlich, hilfsbereit und nicht aggressiv. Die bestehenden familiären und freundschaftlichen Beziehungen am Wohnort des Vaters kann es durch das regelmäßige umfangreiche Umgangsrecht wie bisher fortsetzen.

Auch die Ausübung einer Berufstätigkeit und gelegentliches abendliches Ausgehen der Mutter rufen keine Bedenken gegen ihre Erziehungsfähigkeit hervor, da sie in dieser Zeit für eine angemessene Betreuung sorgt. Das Kind verfügt über sichere Bindungen zu beiden Elternteilen; angesichts seines Alters ist dieses Kriterium nicht zu hoch zu gewichten, da sich dies in der frühen Kindheit schnell ändern kann. Das weit über das übliche Maß hinausgehende Umgangsrecht des Vaters wird regelmäßig und weitgehend unproblematisch durchgeführt. Das Kind genießt die Wochenenden beim Vater. Dies spricht für die Bindungstoleranz der Mutter.

Beide Elternteile sollten sich bewusst sein, dass für die Fortsetzung der sehr guten Entwicklung ihres Kindes eine vertrauensvolle und am Kindeswohl orientierte Ausübung ihrer gemeinsamen Elternverantwortung unerlässlich ist. Das Kind sollte unbeschwert die Vorteile seiner beiden sehr unterschiedlichen "Zuhause" genießen können.

Quelle: RAin Nicole Seier - vom 05.11.12