Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Bonuszahlungen: Festsetzung durch das Gericht

Entspricht die Entscheidung eines Arbeitgebers über die Zahlung eines vertraglich vereinbarten Bonus nicht billigem Ermessen, ist sie unverbindlich und die Höhe des Bonus wird durch das Gericht festgesetzt. Dabei ist zunächst der Vortrag der Parteien ausschlaggebend. Auf eine Auskunftsklage kann ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht verwiesen werden. Das hat das BAG entschieden.

Sachverhalt

Es ging um einen Managing Director einer internationalen Großbank, der ca. zweieinhalb Jahre in einer deutschen Niederlassung tätig war. Die Arbeitsvertragsparteien hatten vereinbart, dass der Banker an dem jeweils gültigen Bonussystem teilnehmen sollte. Dementsprechend erhielt er für das Geschäftsjahr 2009 eine garantierte Leistung über 200.000 € und für das Geschäftsjahr 2010 über 9.920 €. Pech hatte er allerdings im Jahr 2011.

Denn in diesem Jahr zahlte ihn der Arbeitgeber gar nichts, obwohl andere Kollegen Geld erhielten – und zwar zwischen einem Viertel und der Hälfte der jeweiligen Vorjahresleistung. Natürlich wollte er sich dieses Gebaren nicht gefallen lassen und klagte die Zahlung eines Bonus ein. Die Höhe des Bonus stellte er in das Ermessen des Gerichts, wollte aber mindestens 52.480 € erhalten.

Vor dem ArbG erstritt er knapp 80.000 €, vor dem LAG hatte er allerdings Pech. Die Richter meinten, der Banker habe keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen, die eine gerichtliche Festsetzung der Bonushöhe ermöglichen würden. Schließlich musste das BAG entscheiden.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Vor dem BAG hatte der Banker mehr Erfolg. Die Richter entschieden, dass er einen Anspruch auf den Bonus hat. Die Höhe muss durch das Gericht nach billigem Ermessen festgesetzt werden. Denn der Arbeitgeber hatte nichts dazu vorgetragen, weshalb er den Bonus auf Null herabgesetzt hatte. Die Höhe des Bonus wird in einem solchen Fall durch das Gericht bestimmt. Maßstab ist dabei der § 315 Abs. 3 S. 2 BGB:

„Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.“

Als Grundlage für die Festlegung der Höhe des Bonus hat das Gericht den Sachvortrag der Parteien zu nehmen. Äußert sich der Arbeitgeber zu bestimmten Faktoren nicht, kann das nach Ansicht des BAG nicht zulasten des Arbeitnehmers gehen. Denn von dem Arbeitnehmer kann kein Vortrag verlangt werden, der nicht in seinem Kenntnisbereich liegt.

Vielmehr ist die Leistung durch das Gericht aufgrund der aktenkundig gewordenen Umstände festzusetzen. Das kann z.B.

  • die Leistung in den Vorjahren,
  • wirtschaftliche Kennzahlen oder
  • das Ergebnis einer Leistungsbeurteilung sein.

Eine Festsetzung des Bonus kann nur dann ausnahmsweise ausscheiden, wenn jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen. Das war hier allerdings nicht der Fall. Da die gerichtliche Bestimmung der Leistung durch die „Tatsacheninstanz“ zu erfolgen hat, hat das BAG den Rechtsstreit zur Festsetzung der Höhe des Bonus an das LAG zurückverwiesen.

Außerdem haben die Richter sich mit einem weiteren interessanten Argument des Arbeitgebers auseinandergesetzt: Dieser hatte sich nämlich damit verteidigt, dass der Arbeitnehmer zuvor eine Auskunftsklage hätte erheben müssen. Auch dem haben die Richter einen Riegel vorgeschoben. Auf die Erhebung einer Auskunftsklage kann ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht verwiesen werden. Das Gericht hat selbst zu entscheiden.

Folgerungen aus der Entscheidung

Behält sich der Arbeitgeber also vertraglich vor, über die Höhe eines Bonusanspruchs nach billigem Ermessen zu entscheiden, unterliegt diese Entscheidung der vollen Überprüfung durch die Arbeitsgerichte. Entspricht die Entscheidung des Arbeitgebers nicht billigem Ermessen, ist sie unverbindlich und die Höhe des Bonus wird durch das Gericht auf Grundlage des Vortrags der Parteien festgesetzt.

Praxishinweis

Ein wichtiges Urteil, das erhebliche Auswirkungen in der Praxis haben wird. Denn das Problem einer willkürlichen Nichtzahlung oder einer willkürlichen Reduzierung von Sondervergütungen – wie hier eines Bonus – stellt Rechtsberater stets vor größere Probleme bei der Darlegungslast. Welcher Betrag soll eingeklagt werden? Berechnungsgrundlagen für die Höhe der Sondervergütung liegen in diesen Fällen dem Arbeitnehmer meist nicht vor. Hier bringt das Urteil viel Klarheit.
Und auf Arbeitgeberseite sollten Rechtsberater dringend darüber nachdenken, welche Kennzahlen zur Berechnung eines Bonus oder sonstigen Vergütung mitgeteilt werden sollten oder sogar müssen.

Lässt sich der Arbeitgeber auf einen entsprechenden Sachvortrag des Arbeitnehmers gar nicht ein, kann nach dem Urteil des BAG das ArbG eine großzügige Schätzung zu Grunde legen. Häufig werden auch Zielvereinbarungen mit einer variablen Vergütung wie einem Bonus verbunden. Es wird dann ein Jahreszielgehalt vereinbart, das sich aus einem fixen Grundgehalt und variablen Vergütungsbestandteilen zusammensetzt. Bei dieser Zielvereinbarungsvariante entstehen die häufigsten Anwendungsprobleme, da die Arbeitsvertragsparteien häufig unklare oder unzulässige Vertragsgestaltungen verwenden.

Natürlich gibt es keine festen Grenzen für den flexiblen Vergütungsanteil, aber Rechtsberater sollten stets Folgendes beachten:

  • Auf keinen Fall darf der gesetzliche oder tarifliche Mindestlohn unterschritten werden.
  • Auch der tarifliche Mindestlohn muss als Fixgehalt verbleiben.
  • Zudem ist die Sittenwidrigkeitsgrenze zu beachten. Der tatsächliche Verdienst eines nicht tarifgebundenen Mitarbeiters muss bei 2/3 des vergleichbaren Tariflohns liegen. Also darf auch nur maximal das verbleibende 1/3 als variabler Vergütungsbestandteil ausgestaltet sein.

BAG, Urt. v. 03.08.2016 - 10 AZR 710/14

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader