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Erbschaftsannahme: Anfechtung bei Irrtum

Ein zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft berechtigender Irrtum kann darin liegen, dass der mit Beschränkungen Bedachte irrig annimmt, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um sein Pflichtteilsrecht nicht zu verlieren. Dies gilt grundsätzlich auch nach der Neufassung des § 2306 BGB. Das hat der BGH entschieden. Ein solcher Irrtum muss dem Nachlassgericht entsprechend dargelegt werden.

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob die Tochter der Erblasserin Miterbin geworden ist oder ob sie einen Pflichtteilsanspruch hat. Die verwitwete Erblasserin verstarb 2012. Es wurden nach ihr drei Testamente eröffnet. Insgesamt ergibt sich aus den Testamenten, dass die Tochter neben ihren Geschwistern als Erbin zu ¼ eingesetzt worden ist. Die Erbeinsetzung war jedoch durch Vorausvermächtnisse an die miterbenden Geschwister belastet. Zudem wurde ein Testamentsvollstrecker benannt. Dieser ist nun der Kläger.

Im März 2012 erhielt die beklagte Tochter Kenntnis von der letztwilligen Verfügung von Todes wegen. Im Juni 2012 erklärte sie die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist und erklärte gleichzeitig die Erbausschlagung. Später machte sie gegen die Erben unter Berufung auf ihren Pflichtteilsanspruch Auskunftsansprüche geltend. Diese wurden vom Testamentsvollstrecker abgelehnt.

Daraufhin hat der Testamentsvollstrecker Klage erhoben und beantragt festzustellen, dass er in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker die Beklagte als Miterbin zu einem Anteil von ¼ anzusehen und für den anstehenden Teilungsplan entsprechend zu berücksichtigen hat. Dem ist die beklagte Tochter entgegengetreten und hat Widerklage auf Duldung der Zwangsvollstreckung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche in den Nachlass erhoben. Zeitgleich erhob die Beklagte Drittwiderstufenklage gegen die Erben.

Das LG gab der Klage statt und hat die Widerklage sowie die Drittwiderstufenklage abgewiesen. Das OLG hat die Berufung der beklagten Tochter zurückgewiesen.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lag der Irrtum darin, dass die Tochter von einem Verlust ihres Pflichtteilsrecht bei einer Ausschlagung ausging. Jedoch stünde dem schon der Wortlaut des § 2306 BGB n.F. entgegen. Hinzu käme, dass das Nachlassgericht auf die Ausschlagungsmöglichkeit und die Ausschlagungsfrist in einem Merkblatt hingewiesen hatte. Die Tochter wäre zudem von zwei Rechtsanwälten beraten worden. Aus diesen Gründen soll lediglich ein Rechtsfolgeirrtum vorgelegen haben.

Mit der Revision verfolgte sie ihre Anträge auf Klageabweisung, Widerklage und Drittwiderstufenklage weiter.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das Rechtsmittel der Revision hatte Erfolg. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der BGH ist der Ansicht, dass das Berufungsgericht zu Unrecht das Vorliegen eines rechtlich erheblichen Inhaltsirrtums der Tochter verneint hat. Zunächst stellt der BGH klar, dass auch bei § 2306 BGB n.F. grundsätzlich Sachverhaltskonstellationen entstehen können, die zu einer Anfechtung wegen eines Inhaltsirrtums berechtigen. Der § 2306 BGB n.F. steht zum sonstigen Grundsatz, dass eine Ausschlagung der Erbschaft zum Verlust sämtlicher Rechte am Nachlass führt. Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts lag darin, dass es davon ausging, diese Fragestellung müsse überhaupt nicht entschieden werden. Es komme alleine auf die Vorschrift des § 119 BGB an.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die Sache wurde an das Berufungsgericht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen. Im Hinblick auf das Merkblatt des Nachlassgerichts muss nach dem BGH aufgeklärt werden, ob die beklagte Tochter dieses auch tatsächlich erhalten und zur Kenntnis genommen habe. Weiterhin ist vom Berufungsgericht zu prüfen, ob die beklagte Tochter auf andere Weise, – z.B. durch die sie beratenden zwei Rechtsanwälte – Kenntnis von ihrem Irrtum erlangt habe.

Praxishinweis

Eine Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen eines Inhaltsirrtums über die Rechtsfolgen einer Ausschlagung der Erbschaft im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch kommt somit nach wie vor grundsätzlich in Betracht. Durch die Neufassung des § 2306 BGB hat sich die diesbezügliche Rechtsprechung des BGH nicht geändert. Die Hürden dazu dürften jedoch immer noch ziemlich hoch liegen. Es muss abgewartet werden, wie die Entscheidung des Berufungsgerichts in dieser Sache ausfällt.

Im Allgemeinen dürfte eine Anfechtung wohl nur dann Erfolg haben, wenn gegenüber dem Nachlassgericht fristgerecht nachvollziehbar dargelegt werden kann, dass ein Irrtum über die Rechtsfolgen einer Ausschlagung vorlag; z.B. wenn ein anwaltlich nicht beratener Laie nach Durchsicht des Testaments gedacht hat, dass er durch Ausschlagung einer mit Beschränkungen bzw. Beschwerungen belasteten Erbschaft auch automatisch dem allgemeinen Grundsatz gemäß völlig leer ausgeht und ebenso seinen Pflichtteilsanspruch verliert.

BGH, Urt. v. 29.06.2016 – IV ZR 387/15

Quelle: Rechtsanwalt Ralf Mangold