BSG - Urteil vom 18.10.1995
9 RVg 4/93
Normen:
OEG § 1 Abs. 1 S. 1 ; StGB § 176 Abs. 1 ;
Fundstellen:
BSGE 77, 7
DRsp VII(700)56a-b
FamRZ 1996, 1073
MDR 1996, 506
NZS 1996, 302
SozR 3-3800 § 1 Nr. 6

Gewalttaten im Sinne des OEG, Gesundheitsstörungen als mögliche Folge schwerer Sexualstraftaten

BSG, Urteil vom 18.10.1995 - Aktenzeichen 9 RVg 4/93

DRsp Nr. 1996/19441

Gewalttaten im Sinne des OEG, Gesundheitsstörungen als mögliche Folge schwerer Sexualstraftaten

1. Auch der "gewaltlose" sexuelle Mißbrauch eines Kindes kann Gewalttat i.S. des OEG sein.2. Die vom BMA herausgegebenen Anhaltspunkte sagen, ob und welche Gesundheitsstörungen nach der herrschenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft als mögliche Folge schwerer Sexualstraftaten in Betracht kommen. Ein rechtliches Interesse an der Prüfung, ob sich die Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit verdichtet hat, ist nur dann anzuerkennen, wenn im Einzelfall nach einer derartigen Sexualstraftat Symptome einer solchen Gesundheitsstörung aufgetreten sind. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

OEG § 1 Abs. 1 S. 1 ; StGB § 176 Abs. 1 ;

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die als Kind sexuell mißbrauchte Klägerin Anspruch auf Versorgung nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) hat.

Die damals fünfjährige Klägerin hielt sich an einem Tag im September 1985 in der Wohnung eines älteren Mannes (S.) auf. S. badete zusammen mit der Klägerin und legte sich mit ihr auf ein Bett. Dabei manipulierte er an ihrem Geschlechtsteil. S. wurde wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes nach § 176 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt.