BVerfG - Beschluß vom 15.12.1965
1 BvR 513/65
Normen:
GG Art. 2 Abs. 2 ; StPO § 112 Abs. 4 § 116 ;
Fundstellen:
BVerfGE 19, 342
AP Nr. 13 zu Art. 2 GG
JuS 1966, 164
JZ 1966, 146
MDR 1966, 300
NJW 1966, 243
Vorinstanzen:
I. LG Hamburg - Beschluß vom 09.08.1965 - (37) 135/65,
OLG Hamburg, vom 23.08.1965 - Vorinstanzaktenzeichen 2b Ws 70/65

Haftverschonung bei Untersuchungshaft wegen Straftaten gegen das Leben

BVerfG, Beschluß vom 15.12.1965 - Aktenzeichen 1 BvR 513/65

DRsp Nr. 1995/8920

Haftverschonung bei Untersuchungshaft wegen Straftaten gegen das Leben

»Nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch bei einem auf § 112 Abs. 4 StPO gestützten Haftbefehl eine Haftverschonung in entsprechender Anwendung des § 116 StPO möglich.«

Normenkette:

GG Art. 2 Abs. 2 ; StPO § 112 Abs. 4 § 116 ;

Gründe:

I.

1. Das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19. Dezember 1964 (BGBl. I S. 1067), das am 1. April 1965 in Kraft getreten ist (sogenannte Kleine Strafprozeßnovelle), hat u. a. das Recht der Untersuchungshaft neu geregelt; dabei verfolgt es im ganzen die Tendenz, Anordnung und Dauer der Haft zu beschränken. Die bisherigen Haftvoraussetzungen sind "objektiviert" worden, d. h., es müssen "bestimmte Tatsachen" festgestellt werden, aus denen sich die genau umschriebenen Tatbestände der Flucht- oder Verdunkelungsgefahr ergeben. Andererseits hat die Novelle bei Sittlichkeitsverbrechen den Haftgrund der Wiederholungsgefahr neu eingeführt und schließlich in § 112 Abs. 4 StPO folgendes bestimmt:

Gegen den Beschuldigten, der eines Verbrechens wider das Leben nach den §§ 211, 212 oder § 220 a Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 und 3 nicht besteht.