BVerfG - Beschluss vom 30.01.2020
2 BvR 1005/18
Normen:
GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 3 S. 2; AGG § 3 Abs. 1; AGG § 3 Abs. 2; UN-BRK Art. 20 Buchst. b);
Vorinstanzen:
LG Berlin, vom 07.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 66/16

Untersagung des Betretens der Praxisräume einer Gemeinschaftspraxis als Zutritt und Durchgang zur Behandlung in einer Physiotherapiepraxis wegen Mitführens eines Blindenführhundes; Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen

BVerfG, Beschluss vom 30.01.2020 - Aktenzeichen 2 BvR 1005/18

DRsp Nr. 2020/3152

Untersagung des Betretens der Praxisräume einer Gemeinschaftspraxis als Zutritt und Durchgang zur Behandlung in einer Physiotherapiepraxis wegen Mitführens eines Blindenführhundes; Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen

1. Das Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen gemäß Art.3 Abs.3 S.2 GG wirkt sich insbesondere bei der Auslegung zivilrechtlicher Generalklauseln, bei der Bestimmung von Verkehrssicherungspflichten und des Mitverschuldens oder des als üblich Hinzunehmenden aus. Das Recht auf persönliche Mobilität aus Art.20 BRK ist bei der Auslegung zivilrechtlicher Normen gleichfalls zu berücksichtigen.2. Das scheinbar neutrale Verbot, Hunde in die Orthopädische Gemeinschaftspraxis mitzuführen, benachteiligt eine sehbehinderte Person mit Blindenhund in besonderem Maße. Denn das Durchgangsverbot verwehrt es ihr, die Praxisräume selbständig zu durchqueren, was sehenden Personen ohne Weiteres möglich ist.3. Es ist zweifelhaft, ob hygienische Gründe, die gegen das Mitbringen von Tieren in eine Arztpraxis angeführt werden mögen, mit Blick auf das gelegentliche Mitführen eines Blindenführhundes einen sachgerechten Grund für das Durchgangsverbot darstellen können.