BVerfG - Beschluss vom 04.06.2012
2 BvR 644/12
Normen:
StGB § 51;
Vorinstanzen:
LG Dresden, vom 01.08.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Qs 110/11
OLG Dresden, vom 16.02.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ws 32/12

Verpflichtung der Gerichte zur eingehenden Auseinandersetzung mit den einzelnen Voraussetzungen der Untersuchungshaft in Haftfortdauerentscheidungen

BVerfG, Beschluss vom 04.06.2012 - Aktenzeichen 2 BvR 644/12

DRsp Nr. 2012/15732

Verpflichtung der Gerichte zur eingehenden Auseinandersetzung mit den einzelnen Voraussetzungen der Untersuchungshaft in Haftfortdauerentscheidungen

Die Gerichte sind gehalten, sich in Haftfortdauerentscheidungen eingehend mit den einzelnen Voraussetzungen der Untersuchungshaft auseinandersetzen. Insbesondere müssen sie auf die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, auf die im Raum stehende konkrete Straferwartung und für den Fall der Verhängung einer Freiheitsstrafe auf das hypothetische Strafende eingehen. Dabei sind auch die Möglichkeiten der Anrechnung einer Freiheitsentziehung nach § 51 StGB sowie der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung zu berücksichtigen.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Februar 2012 - 1 Ws 32/12 - und der Beschluss des Landgerichts Dresden vom 1. August 2011 - 4 Qs 110/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Der Freistaat Sachsen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.