9.2.5 Entbindung des Pflichtverteidigers wegen grober Pflichtverletzung

Autor: Schütrumpf

Kurzüberblick

9.33

Über die ausdrücklich normierten Fälle der §§ 143, 145 Abs. 1 StPO hinaus kann die Bestellung eines Verteidigers aus wichtigem Grund aufgehoben werden.

Eine grobe Pflichtverletzung des Verteidigers stellt nicht jegliches prozessordnungswidriges oder unzweckmäßiges Verhalten des Verteidigers dar; erforderlich ist ein Fehlverhalten von besonderem Gewicht.

Ein Verfahrensbeteiligter, der die ihm zur Wahrung seiner verfahrensrechtlichen Belange durch die Strafprozessordnung eingeräumte Möglichkeiten dazu missbraucht, um gezielt verfahrensfremde oder verfahrenswidrige Zwecke zu verfolgen, verletzt seine Pflichten gröblich.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führt dazu, dass eine Entpflichtung des Verteidigers nur erfolgen darf, wenn kein anderes milderes Mittel geeignet und ausreichend ist, um für die Zukunft ein geordnetes Verfahren zu gewährleisten; ein solches milderes Mittel besteht z.B. in der Zurückweisung von zu beanstandenden Fragen oder die Abmahnung eines zu beanstandenden Verhaltens.

Sachverhalt

Die Beiordnung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt R des 17-jährigen Angeklagten A wurde widerrufen, weil der Verteidiger - so heißt es in der Begründung des Beschlusses - "", womit jedenfalls in einem am Erziehungsgedanken orientierten Jugendstrafverfahren unzulässige verfahrensfremde Ziele verfolgt worden seien.