BGH - Urteil vom 29.03.2012
3 StR 455/11
Normen:
StPO § 24 Abs. 2; StPO § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 2;
Fundstellen:
NStZ-RR 2012, 211
StV 2013, 372
wistra 2012, 312
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, vom 22.06.2011

Befangenheit eines Richters bei Bezeichnung des Verhaltens des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft als unanständig

BGH, Urteil vom 29.03.2012 - Aktenzeichen 3 StR 455/11

DRsp Nr. 2012/8330

Befangenheit eines Richters bei Bezeichnung des Verhaltens des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft als "unanständig"

1. Ein Ablehnungsgesuch kann auch dann unverzüglich angebracht worden sein, wenn dies nicht bereits in der Hauptverhandlung selbst geschah, aber noch am selben Tag bei Gericht eingereicht wurde.2. Zwar kann ein Vorsitzender zur Verfahrensförderung bestimmte Prozesshandlungen der Verfahrensbeteiligten anregen, er hat dabei aber die gebotene Zurückhaltung zu wahren.3. Der beharrliche und intensive Versuch des Vorsitzenden, den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zu einem Verzicht auf die Vernehmung des überwiegenden Teils der Zeugen zu drängen, obwohl der Angeklagte das Gewicht seiner Tatbeiträge zu den ihm zur Last liegenden Straftaten nicht in vollem Umfang eingeräumt hatte und insbesondere für eine schuldangemessene Sanktion wesentliche Umstände noch klärungsbedürftig waren, kann in Verbindung mit seiner Wortwahl den Eindruck hervorrufen, ihm fehle gegenüber der Staatsanwaltschaft das gebotene und unverzichtbare Maß an Distanz und Neutralität.

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 22. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten R. betrifft.