Haftungsverteilung bei Kollision eines vom Straßenrand aus Anfahrenden mit einem entgegenkommenden Linksabbieger
OLG Dresden, Urteil vom 06.02.1996 - Aktenzeichen 16 U 1731/95
DRsp Nr. 1996/29753
Haftungsverteilung bei Kollision eines vom Straßenrand aus Anfahrenden mit einem entgegenkommenden Linksabbieger
1. Die gesteigerte Sorgfaltspflicht des § 10StVO gilt bis zur vollen Eingliederung des Anfahrenden in den fließenden Verkehr, und zwar grundsätzlich auch gegenüber dem entgegenkommenden Verkehr.2. Der Anschein der Alleinverursachung eines Unfalls durch den Anfahrenden setzt einen Anwendungsfall des § 10StVO voraus, vermag ihn jedoch nicht zu begründen.3. Bei zeitnahem Anfahren vom Straßenrand des einen und erkennbar beabsichtigtem Linksabbiegen des anderen Verkehrsteilnehmers sind beide gehalten, auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 10StVO die durch einen gerade abgeschlossenen Anfahrvorgang unklare Verkehrssituation bei besonders vorsichtiger und zurückhaltender Fahrweise zu klären und nicht auf einer gegebenenfalls vermeintlichen Bevorrechtigung zu bestehen. Ist ein vorwerfbarer Fahrfehler des Anfahrenden nicht feststellbar, ist eine Haftungsverteilung im Verhältnis 3 : 1 zu Lasten des Linksabbiegers gerechtfertigt.