LAG Hamm - Urteil vom 30.03.2023
18 Sa 1048/22
Normen:
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1; KSchG § 4 S. 1; KSchG § 6;
Vorinstanzen:
ArbG Minden, vom 27.09.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ca 200-22

Wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGBVerletzung der Rücksichtnahmepflicht durch Vorlage einer irreführenden ärztlichen BescheinigungVertrauensmissbrauch durch Vorlage einer vorläufigen ImpfunfähigkeitsbescheinigungUmfassende Interessenabwägung vor Ausspruch einer KündigungErforderlichkeit einer Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung

LAG Hamm, Urteil vom 30.03.2023 - Aktenzeichen 18 Sa 1048/22

DRsp Nr. 2023/9239

Wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB Verletzung der Rücksichtnahmepflicht durch Vorlage einer irreführenden ärztlichen Bescheinigung Vertrauensmissbrauch durch Vorlage einer "vorläufigen Impfunfähigkeitsbescheinigung" Umfassende Interessenabwägung vor Ausspruch einer Kündigung Erforderlichkeit einer Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung

1. Auch die Vorlage irreführender ärztlicher Bescheinigungen kann eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht darstellen, die den Arbeitnehmer trifft. Dies gilt insbesondere für Nachweise im Sinne des § 20a Abs. 2 S. 1 IfSG (a.F.).2. Die Vorlage einer aus dem Internet heruntergeladenen formularmäßigen ärztlichen "vorläufigen Impfunfähigkeitsbescheinigung", die ohne ärztliche Untersuchung erstellt wurde und den falschen Eindruck erweckt, auf den individuellen Verhältnissen des Arbeitnehmers zu beruhen, kann eine Kündigung rechtfertigen (im Streitfall verneint, da Abmahnung erforderlich).

1. Bei einer fristlosen Kündigung ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise, als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Umstände des Falls jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht.