BVerfG - Beschluss vom 29.07.2022
2 BvR 54/22
Normen:
StPO § 81b Alt. 1; GG Art. 1. Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1;
Fundstellen:
D_V 2022, 915
NJW 2022, 2978
NStZ 2023, 52
StV 2022, 127
Vorinstanzen:
LG Zwickau, vom 06.12.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Qs 204/21

Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nach § 81b Alt. 1 StPO; Rüge der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

BVerfG, Beschluss vom 29.07.2022 - Aktenzeichen 2 BvR 54/22

DRsp Nr. 2022/12225

Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nach § 81b Alt. 1 StPO; Rüge der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

1. Voraussetzung für Maßnahmen nach § 81b Alt. 1 StPO ist, dass gegen den Betroffenen ein Strafverfahren geführt wird und gegen ihn ein Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO besteht. Zudem müssen die einzelnen Maßnahmen jeweils für den Zweck der Durchführung des Strafverfahrens konkret notwendig sein. Dabei orientiert sich die Notwendigkeit der Maßnahme an der Sachaufklärungspflicht der Gerichte nach § 244 Abs. 2 StPO. Gleichzeitig stellt das Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips dar. Dies bedeutet, dass die Gerichte zur konkreten Notwendigkeit jeder einzelnen angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahme ausführen und eine Abwägung zwischen dem Interesse einer wirksamen Strafverfolgung und dem Grundrecht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung vornehmen müssen.2. Eine nach § 81b Alt. 2 StPO rechtmäßige Datenerhebung kann nicht zur Kompensation für eine defizitär begründete Anordnung gemäß § 81b Alt. 1 StPO herangezogen werden.

Tenor