BVerfG - Beschluss vom 11.06.2008
2 BvR 806/08
Normen:
GG Art. 2 Abs. 2 ; StGB § 57 ; StPO § 83 ;
Fundstellen:
StV 2008, 421
Vorinstanzen:
OLG Bamberg, vom 31.03.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ws 198/08
LG Würzburg, vom 19.02.2008 - Vorinstanzaktenzeichen JK Ns 832 Js 15960/05 JSch
AG Würzburg, vom 16.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 708 Ls 832 Js 15960/05 JSch
AG Würzburg, vom 28.06.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Gs 2113/06

Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft bis zur vollständigen Verbüßung eine Strafe

BVerfG, Beschluss vom 11.06.2008 - Aktenzeichen 2 BvR 806/08

DRsp Nr. 2008/12798

Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft bis zur vollständigen Verbüßung eine Strafe

1. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (BVerfGE 20, 45 [49 f.]). Außerdem vergrößert sich regelmäßig das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft. 2. Auch nach einer erstinstanzlichen Verurteilung darf ein Verurteilter nicht bis zum Zeitpunkt der Vollverbüßung der ausgesprochenen Strafe in Untersuchungshaft gealten. werden. Dem steht schon der Resozialisierungszweck der Strafhaft entgegen; denn wird die verhängte Freiheitsstrafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft zum überwiegenden Teil oder gar vollständig verbüßt, so können die im Rahmen des Vollzugs der Strafhaft möglichen Maßnahmen zur Resozialisierung nur in geringem Ausmaß oder überhaupt keine Wirkung entfalten (BVerfGK 5, 109 [122]; 7, 140 [162]). Dieser Rechtsgedanke erfordert es auch, dass bei der Ermittlung der Dauer der zu erwartenden Strafhaft eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB jedenfalls dann berücksichtigt werden muss, wenn sie im konkreten Fall zu erwarten ist.

Normenkette:

GG Art. 2 Abs. 2 ; § ;