BVerfG - Beschluß vom 30.05.1973
2 BvL 4/73
Normen:
GG Art. 2 Abs. 2 S. 2 Art. 19 Abs. 1 S. 2 Art. 104 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 ; StPO § 112 Abs. 3 § 112a Abs. 1 Nr. 2 § 116 Abs. 3 § 122a ;
Fundstellen:
BVerfGE 35, 185
BayVBl 1973, 407
MDR 1973, 826
NJW 1973, 1363
Rpfleger 1973, 291
Vorinstanzen:
AG Lüneburg, vom 09.02.1973 - Vorinstanzaktenzeichen 9 Gs 52/73

Verfassungsmäßigkeit des § 112a StPO

BVerfG, Beschluß vom 30.05.1973 - Aktenzeichen 2 BvL 4/73

DRsp Nr. 1994/2812

Verfassungsmäßigkeit des § 112a StPO

»Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist mit dem Grundgesetz vereinbar.«

Normenkette:

GG Art. 2 Abs. 2 S. 2 Art. 19 Abs. 1 S. 2 Art. 104 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 ; StPO § 112 Abs. 3 § 112a Abs. 1 Nr. 2 § 116 Abs. 3 § 122a ;

Gründe:

I.

1. Die Anordnung von Untersuchungshaft setzt außer dringendem Tatverdacht voraus, daß bei dem Beschuldigten Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr besteht. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr galt nach § 112 Abs. 3 StPO zunächst nur für bestimmte Sittlichkeitsdelikte. Er war eingeführt worden durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) vom 19. Dezember 1964 (BGBl. I S. 1067), das in seinem Artikel 15 das Grundrecht der persönlichen Freiheit - Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG - insoweit ausdrücklich eingeschränkt hatte.

Das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 7. August 1972 (BGBl. I S. 1361) erweiterte den Kreis der Straftaten, bei denen die Wiederholungsgefahr Haftgrund ist, ohne indes gesondert klarzustellen, daß auch insoweit das Grundrecht der persönlichen Freiheit eingeschränkt wurde. Der neu eingefügte § 112 a StPO, in dem die frühere Regelung des § 112 Abs. 3 StPO aufging, hat folgenden Wortlaut:

§ 112a

(1) Ein Haftgrund besteht auch, wenn der Beschuldigte dringend verdächtig ist,