BVerfG - Beschluss vom 04.02.2009
2 BvR 455/08
Normen:
BVerfGG § 93c Abs. 1; StPO § 119 Abs. 3; StPO § 119 Abs. 6; StVollzG § 84; GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3;
Fundstellen:
AnwBl 2009, 303
DVBl 2009, 463
NJ 2009, 215
StV 2009, 253
Vorinstanzen:
OLG Hamburg, vom 30.11.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 2 VAs 3/06

Verfassungsrechtliche Grenzen der Zulässigkeit körperlicher Durchsuchung bei der Aufnahme in einer Untersuchungshaftanstalt

BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 - Aktenzeichen 2 BvR 455/08

DRsp Nr. 2009/4477

Verfassungsrechtliche Grenzen der Zulässigkeit körperlicher Durchsuchung bei der Aufnahme in einer Untersuchungshaftanstalt

Es verstößt gegen die Menschenwürde eines Untersuchungsgefangenen, wenn er bei Aufnahme in die Untersuchungshaft einer körperlichen Untersuchung mit Entkleidung und Inspizierung des Anus unterzogen wird, ohne dass im Einzelfall geprüft wird, ob Umstände vorliegen, die den Verdacht, der Betreffende könne zum Zwecke des Einschmuggelns in die Haftanstalt Drogen oder andere gefährliche Gegenstände in Körperöffnungen des Intimbereichs versteckt haben, völlig fernliegend erscheinen lassen.

Tenor:

Der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 30. November 2007 - 2 VAs 3/06 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit das Oberlandesgericht darin eine körperliche Durchsuchung des Beschwerdeführers mit Entkleidung und Inspizierung des Anus bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt als rechtmäßig bestätigt hat. Der Beschluss wird insoweit aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Normenkette:

BVerfGG § 93c Abs. 1; StPO § 119 Abs. 3; StPO § 119 Abs. 6; StVollzG § 84; GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3;

Gründe: