BVerfG - Beschluß vom 08.03.1972
2 BvR 28/71
Normen:
GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 ; StGB § 300 ; StPO § 97 ;
Fundstellen:
BVerfGE 32, 373
DÖV 1972, 563
DRiZ 1972, 208
DVBl 1972, 383
MDR 1972, 758
NJW 1972, 1123
Vorinstanzen:
LG Ellwangen, vom 27.03.1969 - Vorinstanzaktenzeichen Qs 97/69

Zulässigkeit der Beschlagnahme einer ärztlichen Karteikarte mit Patientendaten

BVerfG, Beschluß vom 08.03.1972 - Aktenzeichen 2 BvR 28/71

DRsp Nr. 1994/2834

Zulässigkeit der Beschlagnahme einer ärztlichen Karteikarte mit Patientendaten

»Wird bei einem Arzt die Karteikarte des Beschuldigten ohne oder gegen dessen Willen beschlagnahmt, so liegt darin in aller Regel eine Verletzung des dem Patienten zustehenden Grundrechts auf Achtung seines privaten Bereichs (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Das gilt auch dann, wenn wenn sich die Karteikarte nicht mehr im Besitz des behandelnden Arztes, sondern im Gewahrsam eines Berufskollegen befindet, der Praxis und Patientenkartei seines Vorgängers übernommen hat.«

Normenkette:

GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 ; StGB § 300 ; StPO § 97 ;

Gründe:

A. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zulässigkeit der Beschlagnahme einer ärztlichen Karteikarte, die Aufzeichnungen über den in einem Strafverfahren beschuldigten Patienten enthält und sich nach dem Tode des behandelnden Arztes im Gewahrsam des die Praxis fortführenden Nachfolgers befand.

I. 1. Der Arzt unterliegt nicht nur nach seinem Standesrecht, sondern auch nach allgemeinem Strafrecht einer Schweigepflicht, die der Wahrung seines Berufsgeheimnisses dient. § 300 StGB in der Fassung des Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 735) bestimmt insoweit unter anderem: