Anfechtungstatbestände

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Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung

Begriff

Auffangtatbestand

Im Gegensatz zu §§ 130, 131 InsO stellt § 132 InsO nicht darauf ab, dass ein Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung seines Anspruchs erlangt hat. Es genügt, dass die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit durch das vorgenommene Rechtsgeschäft132 Abs. 1 InsO) oder die Rechtshandlung132 Abs. 2 InsO) des Schuldners benachteiligt werden. Insoweit handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der bei Deckungsgeschäften subsidiär ist.

Rechtshandlung des Schuldners

Das Rechtsgeschäft oder die sonstige Rechtshandlung muss vom Schuldner vorgenommen worden sein. Handlungen Dritter, wie etwa Vollstreckungsmaßnahmen, fallen nicht unter § 132 InsO. Trotz der gewählten Überschrift der Regelung ist die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung nur für den Tatbestand des § 132 Abs. 1 InsO Voraussetzung. Für die Anwendbarkeit des § 132 Abs. 2 InsO genügt auch eine mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (zur Abgrenzung vgl. Teil 7/3.3.2).

Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung

Als unmittelbar gläubigerbenachteiligend, wie sie von § 132 Abs. 1 InsO verlangt wird, ist z.B. die Befriedigung eines Gläubigers anzusehen, der mit seiner Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners lediglich Insolvenzgläubiger wäre und der durch die Weigerung, andernfalls eine für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners notwendige Leistung nicht zu erbringen, den unter Erlass eines Zustimmungsvorbehalts bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter dazu veranlasst, ihm nicht nur das Entgelt für die neue Leistung zu zahlen, sondern ihn auch wegen seiner Altforderung voll zu befriedigen (BGH v. 13.03.2003 – IX ZR 64/02).

Gleichstehende Rechtsgeschäfte

Einem (ein- oder zweiseitigen) Rechtsgeschäft des Schuldners, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt, steht eine andere Rechtshandlung des Schuldners gleich, durch die der Schuldner ein Recht verliert oder nicht mehr geltend machen kann oder durch die ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen ihn erhalten oder durchsetzbar wird (§ 132 Abs. 2 InsO). Hierunter fällt z.B. das Verjährenlassen eines Anspruchs des Schuldners oder das prozessuale Anerkenntnis eines gegen ihn gerichteten Anspruchs. Insoweit genügt eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung.

Anfechtungsvoraussetzungen

Ein Rechtsgeschäft des Schuldners, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt, ist anfechtbar

gem. § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn es innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurde und wenn zur Zeit des Rechtsgeschäfts der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der andere Teil zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte;

gem. § 132 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wenn es nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurde und wenn der andere Teil zur Zeit des Rechtsgeschäfts die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

Rechtsfolgenverweisung

Die Gleichstellung von Rechtshandlungen des Schuldners in § 132 Abs. 2 InsO mit den unmittelbar benachteiligenden Rechtsgeschäften des § 132 Abs. 1 InsO bewirkt, dass die in § 132 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 genannten Anfechtungsvoraussetzungen uneingeschränkt übernommen werden. Das Rechtsgeschäft muss demnach innerhalb der in § 132 Abs. 1 InsO genannten Fristen vorgenommen worden sein. Es handelt sich um eine Rechtsfolgenverweisung.

Subjektive Voraussetzung

Hinsichtlich der Kenntnis des Anfechtungsgegners gilt nach § 132 Abs. 3 InsO, dass entsprechend § 130 Abs. 2 InsO die Kenntnis der Umstände, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, dieser Kenntnis gleichstehen. Es genügt insoweit allerdings eine mittelbare Benachteiligung.

Fristbeginn

Maßgebend für den Beginn der in § 132 InsO genannten Monatsfristen ist wiederum der Anfang des Tags, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Antrag auf Verfahrenseröffnung beim Insolvenzgericht eingegangen ist (§ 139 Abs. 1 InsO; siehe Teil 7/4.2).