BVerfG - Beschluß vom 28.02.1994
2 BvR 1567/93
Normen:
BVerfGG § 93c Abs. 1 Satz 1 ; GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 2 Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Art. 20 Abs. 3 ; StGB § 46 § 185 ; StVollzG § 82 Abs. 1 Satz 2 § 102 § 103 Abs. 1, Abs. 3 § 106 Abs. 1 Satz 1 ;
Fundstellen:
AfP 1995, 533
HRSt StVollzG § 82 Nr. 2
NJW 1995, 1016
NStZ 1994, 357
ZfStrVO 1994, 242
Vorinstanzen:
I. LG Regensburg - Beschluß vom 15.04.1993 - 2 StVK 170/91 (74) a,b,
OLG Nürnberg, vom 11.06.1993 - Vorinstanzaktenzeichen Ws 653/93

Beleidigungen von Vollzugsbediensteten und Meinungsfreiheit des Strafgefangenen

BVerfG, Beschluß vom 28.02.1994 - Aktenzeichen 2 BvR 1567/93

DRsp Nr. 1994/2397

Beleidigungen von Vollzugsbediensteten und Meinungsfreiheit des Strafgefangenen

1. Äußerungen eines Strafgefangenen genießen den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Daher berührt die Verhängung von Sanktionen wegen solcher Äußerungen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.2. Das Recht der persönlichen Ehre schützen - neben zivilrechtlichen Ansprüchen - vor allem die §§ 185 ff StGB. Die Schranken, die sich aus den Disziplinarvorschriften des Strafvollzugsgesetzes für das Recht eines Gefangenen auf freie Meinungsäußerung ergeben und jene, die sich aus dem Strafgesetz herleiten, sind deshalb zu unterscheiden. Der Schutz des Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG vor ungerechtfertigten Diszilinarmaßnahmen nach dem Strafvollzugsgesetz entfällt nicht schon deshalb, weil die Äußerung eines Gefangenen einen der Straftatbestände der 185 f. StGB erfüllt.3. Bei Beleidigungen von Vollzugsbediensteten ist auch dann, wenn diese strafrechtlich relevant sind, zu prüfen, ob die gewählten Worte in einem solchen Maße ehrenrührig waren, daß sich eine - strenge - disziplinarische Ahndung zur Wahrung eines geordneten Zusammenlebens in der Vollzugsanstalt aufdrängen mußte.

Normenkette:

BVerfGG § 93c Abs. 1 Satz 1 ; GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 2 Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Art. 20 Abs. 3 ; StGB § 46 § 185 ; StVollzG § 82 Abs. 1 Satz 2 § 102 § 103 Abs. 1, Abs. 3 § 106 Abs. 1 Satz 1 ;