BVerfG - Beschluß vom 11.02.1994
2 BvR 1750/93
Normen:
GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Art. 20 Abs. 3 ; StVollzG § 82 Abs 1 Satz 2 § 102 § 103 Abs. 1 § 103 Abs. 3 § 106 Abs. 1 ;
Fundstellen:
HRSt StVollzG § 82 Nr. 1
NJW 1995, 383
NStZ 1994, 300
StV 1994, 437
ZfStrVo 1995, 55
Vorinstanzen:
I. LG Regensburg - Beschluß vom 11.05.1993 - 3 StVK 9/92 (88),
OLG Nürnberg, vom 15.07.1993 - Vorinstanzaktenzeichen Ws 702/93

Disziplinarrechtliche Würdigung von Gefangenenbriefen und Meinungsfreiheit

BVerfG, Beschluß vom 11.02.1994 - Aktenzeichen 2 BvR 1750/93

DRsp Nr. 1994/2399

Disziplinarrechtliche Würdigung von Gefangenenbriefen und Meinungsfreiheit

1. Bei der disziplinarrechtlichen Würdigung von Gefangenenbriefen ist zu berücksichtigen, daß der Inhalt des Briefes als Meinungsäußerung den Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG genießt und deshalb die Verhängung von Sanktionen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung berührt.2. Dieses Recht gilt jedoch nicht grenzenlos, sondern findet gem. Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und damit unter anderem in den §§ 82 und 102 ff StVollzG.3. Es ist anerkannt, daß das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung grundsätzlich gestattet, ein Anliegen drastisch einzubringen, und auch dann besonderen Schutz verdient, wenn es zur Klärung und Überprüfung möglicher Mißstände eingesetzt wird (BVerfG 28, 191, 202).4. Damit nachgeprüft werden kann, ob ein Brief die Grenzen der freien Meinungsäußerung überschreitet, reicht es nicht aus, diesen nur auszugsweise in das Verfahren einzuführen. Auch Anlaß und Umstände der beanstandeten Äußerungen sind zu klären.

Normenkette:

GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Art. 20 Abs. 3 ; StVollzG § 82 Abs 1 Satz 2 § 102 § 103 Abs. 1 § 103 Abs. 3 § 106 Abs. 1 ;

Gründe: