BVerfG - Beschluß vom 12.09.1994
2 BvR 291/94
Normen:
BVerfGG § 93c Abs 1 S 1 ; GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 Art. 5 Abs. 1 Satz 1 ; StVollzG § 29 § 31 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 ;
Fundstellen:
JR 1995, 379
NJW 1995, 1477
StV 1995, 144
ZfStrVo 1995, 302
Vorinstanzen:
OLG Bamberg, vom 11.01.1994 - Vorinstanzaktenzeichen Ws 314/92

Meinungsfreiheit eines Strafgefangenen und Ehrenschutz eines Gerichts - Reichsparteitags-OLG

BVerfG, Beschluß vom 12.09.1994 - Aktenzeichen 2 BvR 291/94

DRsp Nr. 1995/5154

Meinungsfreiheit eines Strafgefangenen und "Ehrenschutz" eines Gerichts - "Reichsparteitags-OLG"

1. Da ein an die Verlobte eines Gefangenen adressierter Brief nur unter Inkaufnahme der angeordneten Kontrolle, nicht jedoch darüber hinaus mit Zutun seines Verfassers einem Dritten zur Kenntnis gelangt ist, können aus den darin enthaltenen Äußerungen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der groben Beleidigung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 4 StVollzG keine für den Gefangenen belastenden Folgerungen gezogen werden.2. Die Auffassung, es sei mit dem Vollzugsziel nicht zu vereinbaren, einem Strafgefangenen Freiheiten zuzugestehen, deren Inanspruchnahme außerhalb des Strafvollzugs zivil- und strafrechtliche Abwehrreaktionen des betroffenen Bürgers nach sich ziehen würde, verkennt, daß Äußerungen im vertraulichen Kommunikationsbereich gerade ohne rechtliche Folgen bleiben.

Normenkette:

BVerfGG § 93c Abs 1 S 1 ; GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 Art. 5 Abs. 1 Satz 1 ; StVollzG § 29 § 31 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 ;

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Anhalten eines Briefes eines Strafgefangenen an seine Verlobte.

I. Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf den Beschluß der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juli 1993, 2 BvR 1576/92 (NJW 1994, 1149 f.) verwiesen, mit dem diese einen Beschluß des Oberlandesgerichts Bamberg aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen hatte.