BVerfG - Beschluß vom 26.04.1994
1 BvR 1689/88
Normen:
GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 Art. 5 Abs. 1 Satz 1 ; StGB § 185 ; StVollzG § 29 Abs. 3 § 31 ;
Fundstellen:
BVerfGE 90, 255
AfP 1995, 533
DRsp V(510)147a
EuGRZ 1994, 460
HRSt GG Art. 2 Nr. 4
HRSt StVollzG § 29 Nr. 1
JA 1995, 452
NJ 1994, 335
NJW 1995, 1015
NStZ 1994, 403
NStZ 1995, 100
NStZ 1995, 413
StV 1994, 434
ZfStrVo 1994, 307
Vorinstanzen:
LG Ansbach, vom 26.08.1986 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Js 9665/85
BayObLG, vom 29.04.1987 - Vorinstanzaktenzeichen RReg 2 St 385/86
LG Ansbach, vom 25.06.1987 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Js 9665/85
BayObLG, vom 20.01.1988 - Vorinstanzaktenzeichen RReg 2 St 396/87
LG Nürnberg-Fürth, vom 14.04.1988 - Vorinstanzaktenzeichen 283 Js 4207/88
BayObLG, vom 17.11.1988 - Vorinstanzaktenzeichen RReg 2 St 253/88

Schutz der Privatsphäre und Briefüberwachung bei einem Strafgefangenen

BVerfG, Beschluß vom 26.04.1994 - Aktenzeichen 1 BvR 1689/88

DRsp Nr. 1994/2392

Schutz der Privatsphäre und Briefüberwachung bei einem Strafgefangenen

»Eine vom Schutz der Privatsphäre (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 1 GG) umfaßte vertrauliche Äußerung verliert diesen Charakter nicht dadurch, daß sie der Briefüberwachung nach §§ 29 Abs. 3, 31 StVollzG unterliegt. Eine Verurteilung wegen Beleidigung, die auf der gegenteiligen Annahme beruht, verstößt gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG).«

Normenkette:

GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 Art. 5 Abs. 1 Satz 1 ; StGB § 185 ; StVollzG § 29 Abs. 3 § 31 ;

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin ist aufgrund eines Briefes, den sie an ihren in Strafhaft sitzenden Bruder gerichtet hatte, wegen Beleidigung von Strafvollzugsbeamten verurteilt worden.

I.

1. Die Beschwerdeführerin, damals Studentin der Rechtswissenschaft, war von ihrem in der Justizvollzugsanstalt Heilbronn inhaftierten Bruder brieflich über Vorkommnisse in der Haftanstalt informiert worden, die ihn so belasteten, daß er Selbstmordabsichten andeutete. Die Beschwerdeführerin antwortete ihm mit einem Brief, in dem es unter anderem hieß: