BVerfG - Beschluß vom 08.07.1993
2 BvR 213/93
Normen:
GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 Art. 2 Abs. 2 S. 2 Art. 20 Abs. 3 ; StGB § 46 ; StVollzG § 82 Abs. 1 S. 2 § 89 Abs. 1 § 102 Abs. 1 § 103 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2, Abs. 3 § 104 Abs. 5 S. 3 ;
Fundstellen:
HRSt StVollzG § 103 Nr. 1
NJW 1994, 1339
NStZ 1993, 605
StV 1993, 601
Vorinstanzen:
OLG Nürnberg, vom 26.01.1993 - Vorinstanzaktenzeichen Ws 1111/92

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Berücksichtigung des Verhältnismäßgkeitsgrundsatzes bei Disziplinarmaßnahmen im Strafvollzug

BVerfG, Beschluß vom 08.07.1993 - Aktenzeichen 2 BvR 213/93

DRsp Nr. 1994/2426

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Berücksichtigung des Verhältnismäßgkeitsgrundsatzes bei Disziplinarmaßnahmen im Strafvollzug

1. Ebenso wie eine Strafe darf auch eine strafähnliche Sanktion (hier: Disziplinarmaßnahme im Strafvollzug) die Schuld des Täters nicht übersteigen; sie muß in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters stehen. Dabei verbieten sich abstrakt-generelle Erwägungen; vielmehr müssen wegen des im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verankerten Gebots der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Schwere der Tat und das Maß der Schuld im Einzelfall anhand konkreter Tatsachen ermittelt werden.2. Dieser Grundsatz ist verletzt, wenn eine Disziplinarmaßnahme wegen des Genusses von Alkohol im Strafvollzug besonders hart ausfällt mit der abstrakt-generellen Begründung, es sei jeder Alkoholkonsum, der über eine "Alkoholfahne" deutlich wahrnehmbar sei, eine schwere Verfehlung, die die Verhängung des Arrests erlaube, und es sei darüber hinaus die Verhängung des Arrests sogar geboten, wenn die innere Sicherheit der Anstalt durch Alkoholkonsum beeinträchtigt werde.