BGH - Beschluss vom 28.06.2022
6 StR 68/21
Normen:
StGB § 13 Abs. 1; StGB § 216 Abs. 1; StGB § 217 Abs. 1;
Fundstellen:
BGHSt 67, 95
FamRB 2022, 378
FamRZ 2022, 1404
JZ 2022, 1113
NJW 2022, 3021
StV 2023, 9
Vorinstanzen:
LG Stendal, vom 10.11.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 501 KLs 6/20 301 Js 12706/19

Erfordernis einer normativen Betrachtung bei Abgrenzung strafbarer Tötung auf Verlangen von strafloser Beihilfe zum Suizid; Begrenzung der Einstandspflicht durch das Selbstbestimmungsrecht und die Eigenverantwortlichkeit des Sterbewilligen

BGH, Beschluss vom 28.06.2022 - Aktenzeichen 6 StR 68/21

DRsp Nr. 2022/11758

Erfordernis einer normativen Betrachtung bei Abgrenzung strafbarer Tötung auf Verlangen von strafloser Beihilfe zum Suizid; Begrenzung der Einstandspflicht durch das Selbstbestimmungsrecht und die Eigenverantwortlichkeit des Sterbewilligen

1. Die Abgrenzung strafbarer Tötung auf Verlangen von strafloser Beihilfe zum Suizid erfordert eine normative Betrachtung.2. Der ohne Wissens- und Verantwortungsdefizit gefasste und er- klärte Sterbewille führt zur situationsbezogenen Suspendierung der Einstandspflicht für das Leben des Ehegatten.

Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 10. November 2020 aufgehoben.

Die Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Normenkette:

StGB § 13 Abs. 1; StGB § 216 Abs. 1; StGB § 217 Abs. 1;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Tötung auf Verlangen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat Erfolg und führt zu ihrem Freispruch (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1 StPO).

I.

Dem Urteil liegen folgende Feststellungen und rechtliche Wertungen zugrunde: