BVerfG - Beschluß vom 16.08.2001
1 BvR 1002/01
Normen:
GG Art. 2 Abs. 2 ; ZPO § 765a;
Fundstellen:
InVo 2001, 449
NJW-RR 2001, 1523
NZM 2001, 951
ZMR 2001, 878
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, vom 15.06.2001 - Vorinstanzaktenzeichen 2 T 220/01

Versagung von Räumungsschutz trotz Suizidgefahr

BVerfG, Beschluß vom 16.08.2001 - Aktenzeichen 1 BvR 1002/01

DRsp Nr. 2001/11836

Versagung von Räumungsschutz trotz Suizidgefahr

Die Versagung von Räumungsschutz trotz ärztlicherseits festgestellter konkreter Suizuidgefahr wird dem in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG enthaltenen Gebot zum Schutze des Lebens und der körperlichen Unversehrheit nicht in der erforderlichen Weise gerecht, wenn sie darauf gestützt wird, dass die Suizidgefahr nicht auf einer psychischen Erkrankung des Vollstreckungsschuldners, sondern auf dessen freier Willensentschließung beruhe. Die Frage, ob eine Zwangsräumung zum Suizid des Schuldners führen kann, muß unabhängig davon beantwortet werden, ob die Suizidialität auf einer - psychischen oder sonstigen - Erkrankung oder auf anderen - persönlichkeitsbedingten - Ursachen beruht. Die Unfähigkeit, aus eigener Kraft oder mit zumutbarer fremder Hilfe die Konfliktsituation zu bewältigen, verdient auch dann Beachtung, wenn ihr kein Krankheitswert zukommt.

Normenkette:

GG Art. 2 Abs. 2 ; ZPO § 765a;

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Versagung von Räumungsschutz nach § 765 a ZPO wegen Suizidgefahr.

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Restaurants. Zum Betrieb dieser Gaststätte mietete er auf einem Nachbargrundstück befindliche, mit dem Hauptgebäude verbundene Nebenräume an, in denen sich unter anderem die Toilettenanlage befindet.