Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.11.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitgegenständlich ist ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
Die 1986 geborene Klägerin schloss Mitte des Jahres 2016 ein Lehramtsstudium ab. Im November 2016 nahm sie ihr Referendariat auf. Seit August 2019 ist sie in Berlin als Lehrerin beschäftigt.
Am 31.08.2016 um 21:14 Uhr versandte die Klägerin eine E-Mail an den Beklagten. In der E-Mail, deren Betreff "Antrag auf Arbeitslosengeld II" lautete, bat die Klägerin um einen Termin zur Erstberatung. Sie erhielt hierzu keine Unzustellbarkeitsbenachrichtigung. Im über die Klägerin geführten Verwaltungsvorgang des Beklagten findet sich an entsprechender Stelle kein Hinweis auf die E-Mail.
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 26.10.2016 an den Beklagten, fügte einen Ausdruck ihrer E-Mail aus dem August 2016 bei und erinnerte an den aus ihrer Sicht damit verbundenen Antrag. Das Schreiben ging beim Beklagten ausweislich eines Eingangsstempels am 03.11.2016 ein.
Nachdem die Klägerin Mitte November 2016 erneut erinnert hatte, lehnte der Beklagte eine Leistungsgewährung für den streitigen Zeitraum ab (Bescheid vom 05.12.2016; Widerspruchsbescheid vom 06.07.2018). Die Klägerin habe einen verspäteten Antrag gestellt. Eine Leistungsgewährung für Zeiträume vor Antragstellung sei ausgeschlossen.
Mit ihrer am 17.07.2018 beim Sozialgericht Köln (
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 zu verurteilen, an sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum vom 01.08.2016 bis 31.10.2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erbringen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ein Antrag der Klägerin sei erst am 03.11.2016 gestellt worden.
Das
Mit Urteil vom 08.11.2018 hat das
Gegen das ihr am 06.12.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.12.2018 Berufung eingelegt. Das Verständnis des
Die Klägerin behauptet, ihren Lebensunterhalt habe sie im streitigen Zeitraum mit Bargeld bestritten, das sie im Leistungsantrag in der Anlage "VM" angegeben habe. Mietzahlungen seien ihr gestundet worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.11.2018 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 zu verurteilen, ihr Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum vom 01.08.2016 bis 31.10.2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des
Der Senat hat die im Verfahren beim LSG NRW zum Az. L
Auf Anfrage des Senats hat der Beklagte eine Stellungnahme der IT-Zentrale der BA vorgelegt (E-Mail vom 12.03.2020). In dieser wird erklärt, es sei zutreffend, dass innerhalb von sechs Monaten habe nachvollzogen werden können, dass und zu welchem Zeitpunkt eine E-Mail eingegangen sei, nicht aber welchen Inhaltes.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte, die Akte zum Parallelverfahren L
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
A.
Streitgegenstand sind Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
Streitgegenständlicher Bescheid ist der Ablehnungsbescheid vom 05.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 (§
B.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht. Diese ist insbesondere ohne Zulassung statthaft (§§
C.
Die Berufung ist aber unbegründet. Das
Einer Leistungsbewilligung für den Zeitraum August bis einschließlich Oktober 2016 steht dabei zwar nicht das Fehlen eines (nachweisbaren) Antrages entgegen (I.). Jedoch ist die Hilfebedürftigkeit der Klägerin nicht nachzuweisen (II.).
I. Gemäß §
1. a) Der Antrag ist an keine Form gebunden. Es gilt insofern der Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (§ 9 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz <SGB X>). Er kann daher mündlich, fernmündlich und auch per E-Mail gestellt werden, eine eigenhändige Unterschrift (§ 126 BGB) ist nicht erforderlich. Der Antrag nach dem
Der Antrag hat eine verfahrensrechtliche Bedeutung, indem der potentiell Leistungsberechtigte durch die Antragstellung dem Grundsicherungsträger signalisiert, dass er nunmehr die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens (§§
Vor diesem Hintergrund ist es - allerdings unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips (vgl.
b) Gemessen daran ist die in ihrem Zugang umstrittene E-Mail der Klägerin nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips für die Annahme einer Antragstellung ausreichend.
Zwar bat die Klägerin im Text der E-Mail um einen Termin zur Erstberatung, jedoch lautete die Betreffzeile der E-Mail vom 31.08.2016 "Antrag auf Arbeitslosengeld II". In der Zusammenschau ergibt sich hieraus hinreichend deutlich, dass bereits ein Antrag gestellt sein, also ein auf die Erbringung von
2. Dem seitens des Senates im Verfahren erteilten Hinweis entsprechend ist mit der Rechtsprechung des 19. Senates des LSG NRW mit Urteil vom 14.09.2017 (L
a) Nach den - wie bereits angesprochen - entsprechend anzuwendenden Regelungen des BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies gilt namentlich auch dann, wenn die Willenserklärung gegenüber einer Behörde abzugeben ist (§ 130 Abs. 3 BGB). Nach allgemeiner Ansicht ist der Zugang einer Erklärung unter Abwesenden - wie im vorliegenden Fall - dann bewirkt, wenn die Willenserklärung dergestalt in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass er die Möglichkeit hat, unter normalen Verhältnissen von ihr Kenntnis nehmen zu können.
Zum Bereich des Empfängers gehören hierbei insbesondere auch die von ihm zur Entgegennahme von Erklärungen bereit gehaltenen Empfangseinrichtungen wie z. B. Briefkästen, Postfach, Anrufbeantworter und Telefaxgeräte. Auch eine E-Mail-Adresse zählt jedenfalls dann dazu, wenn sie - wie vom Beklagten - nicht lediglich zu privat-gesellschaftlichen Zwecken genutzt wird (Gomille in BeckOGK- BGB, 04/2020, § 130 Rn. 54ff. m.w.N.). Eine elektronische Willenserklärung ist schon dann in den Machtbereich des Empfängers gelangt, wenn sie in der für den Empfang bestimmten Einrichtung aufgezeichnet ist, eines Ausdruckes bedarf es nicht (vgl. BVerfG Beschluss vom 01.08.1996,
Diese Grundsätze gelten im Sozialrecht mit der Modifikation, dass es bei verfahrensrechtlich wirksamen Erklärungen - wie der Erhebung eines Widerspruchs - sowie bei fristgebundenen Anträgen für den Zeitpunkt des Zugangs allein darauf ankommt, wann die Erklärungen in den Machtbereich der Behörde gelangt sind, weil die Möglichkeit der Kenntnisnahme nach den Gepflogenheiten des Verkehrs nicht erforderlich ist. Demjenigen, der eine materiell-rechtliche Frist gegenüber einer Behörde zu wahren hat, muss gestattet sein, diese Frist voll auszuschöpfen, wenn es für den Empfänger der fristgebundenen Erklärung nicht erforderlich ist, dass er sofort Kenntnis von ihrem Inhalt erlangt (
Dies gilt auch für einen Antrag nach §
Während die zivilrechtlichen Regelungen darauf zielen, den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Adressaten rechtssicher zu bestimmen, ist im Bereich des
Danach ist es für einen Leistungsanspruch der Klägerin auch für den Monat August 2016 grds. unschädlich, dass die E-Mail erst in den späteren Abendstunden des letzten Augusttages, außerhalb der üblichen Öffnungszeiten des Beklagten abgesandt und ggfs. in den Machtbereich des Beklagten gelangt ist.
b) Zwar trägt die Klägerin die Beweislast für den Zugang des Antrags, d. h. in der vorliegenden Konstellation der abrufbaren Speicherung der E-Mail im elektronischen Postfach (E-Mail-Server) des Beklagten bzw. der BA als einer der Träger (§
Der Nachweis ist jedoch ausnahmsweise bereits durch die Vorlage des Ausdrucks der Sendebestätigung mit korrekter Angabe der E-Mail-Adresse des Beklagten als erbracht anzusehen, weil der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt hat.
aa) In bestimmten Fällen legt die Rechtsprechung dem Gegner des primär beweisbelasteten Beteiligten eine sekundäre Darlegungslast auf, nämlich vor allem dann, wenn ein beweisbelasteter Beteiligter außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH Urteil vom 11.06.1990,
Der eine vollständige Übermittlung der E-Mail nur indizierende Beweiswert der Sendebestätigung ist insofern unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten zu würdigen. So genügt ein bloßes Bestreiten des Zugangs nicht zur Widerlegung der indizierenden Wirkung. Wie beim o.k.-Vermerk auf dem Sendebericht beim Telefax-Versand kann sich der Empfänger nicht auf bloßes Bestreiten des Zugangs beschränken; vielmehr muss er sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast näher dazu äußern, welches Empfangsgerät er betreibt, ob die Verbindung in dessen Speicher aufgezeichnet wurde, ob er ein Empfangsjournal führt und dies gegebenenfalls vorlegen usw. (BGH Urteil vom 19.02.2014,
Dies ist auf die Beweislage hinsichtlich der Übermittlung einer elektronischen Willenserklärung übertragbar. Der Empfänger einer elektronischen Willenserklärung hat deshalb zur Widerlegung der indizierenden Wirkung des Sendeberichts nachvollziehbar darzulegen, warum eine Speicherung der an ihn abgesandten elektronischen Willenserklärung in seiner Empfangseinrichtung nicht erfolgt ist bzw. aus welchen Gründen er dies nicht darlegen kann (LSG NRW Urteil vom 14.09.2017, L
bb) Dem Beklagten wäre es technisch möglich gewesen, seiner sekundären Darlegungslast zu entsprechen. Nach der vom Senat eingeholten Auskunft in der E-Mail der BA vom 12.03.2020 ist die dem
Auf die konkrete Nachfrage des Senats hat die IT-Zentrale der BA allerdings bestätigt, dass es zutreffend sei, dass darüber hinaus innerhalb von sechs Monaten hätte nachvollzogen werden können, dass und zu welchem Zeitpunkt eine E-Mail eingegangen sei, wenngleich nicht welchen Inhaltes. Jedoch hätte allein die Bestätigung des Einganges einer E-Mail zum angegebenen Zeitpunkt den überzeugenden Schluss zugelassen, dass gerade die im Wortlaut des Sendeberichtes vorgelegte E-Mail vom 31.08.2016 dem Beklagten zugegangen sein musste.
Ab dem Versand der E-Mail am 31.08.2016 hätte in den folgenden sechs Monaten die technische Möglichkeit bestanden, den Eingang der versandten Mail auf dem Server der BA zu kontrollieren. Diese Beweismöglichkeit hat der Beklagte vereitelt, in dem er im - großzügig bemessenen - Zeitraum vor Löschung der Daten keinerlei Überprüfung des Eingangs einer E-Mail vorgenommen und dokumentiert und auch im Übrigen keine Beweissicherung betrieben hat. Anlass hierzu hat aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 26.10.2016 bestanden, mit dem ein Antrag auf Arbeitslosengeld II mit einer E-Mail vom 31.08.2016 behauptet und der entsprechende Sendebericht vorgelegt wurde. Dieses Schreiben hat den Beklagten jedenfalls Anfang November 2016 erreicht, der hierdurch Kenntnis von der anspruchsrelevanten Behauptung erhalten hat. In ihrem Widerspruch vom 08.12.2016 hat die Klägerin ihre Darstellung innerhalb des Sechsmonatszeitraumes sogar erneuert.
II. Jedoch lässt sich eine Hilfebedürftigkeit der Klägerin (§§
Es verbleiben insoweit erhebliche Zweifel, ob die Klägerin nicht in der Lage war, ihren Lebensunterhalt etwa mit Zuwendungen Dritter (insbesondere ihrer Eltern) (§
Hinsichtlich eines fehlenden Nachweises von Bedarfen der Kosten der Unterkunft und Heizung (§§
Zweifel an der eigenständigen Bestreitung der dem Regelbedarf (§§
Die Klägerin hat dies einer entsprechenden Nachfrage vorauseilend damit begründet, ihren Lebensunterhalt aus dem im Antrag angegebenen Bargeld finanziert zu haben, Stromkosten seien über die Nebenkostenabrechnung erhoben worden. In der beim Beklagten mit Eingang vom 03.11.2016 bestätigten "Anlage VM", von der Klägerin unterzeichnet mit Datum vom 30.08.2016, hat die Klägerin angegeben, neben einem Girokontoguthaben i.H.v. 623,82 € und dem Guthaben auf vier Sparkonten i.H.v. insgesamt 190,76 € über Bargeldreserven i.H.v. 3.600 € zu verfügen (insgesamt 4.414,58 €; unter Zugrundelegung des Giroguthabens am 02.08.2016: insgesamt 4.635,47 €). Dem standen zwar Vermögensfreibeträge nach §
Nicht allein diese recht passgenaue Unterschreitung der Vermögenfreibeträge durch die insoweit rechtlich orientierte Klägerin, deren prozessbevollmächtigter Vater Mitarbeiter des Beklagten war, einerseits und die durchdacht wirkende Erklärung für die selbst finanzierte Bestreitung des Lebensunterhaltes trotz unzureichender Kontobewegungen mit einem nicht näher nachprüfbaren Vermögen andererseits, stehen der notwendigen Überzeugung einer Hilfebedürftigkeit der Klägerin entgegen. Der Zugrundelegung nicht näher prüfbarer Angaben der Klägerin zu einem Bargeldbestand steht vielmehr auch die erhebliche Beschädigung ihrer Glaubwürdigkeit durch widersprüchliche Angaben und Nachweise zu dem angeblich ernsthaften Mietverhältnis mit ihrem Vater entgegen, wie sie im Urteil des Senates im Verfahren L
Ihre Antwort auf die Aufforderung des Senates im Einzelnen darzulegen, wie sie im streitbefangenen Zeitraum ihren Lebensunterhalt sichergestellt und insbesondere Alltagsgeschäfte (Einkauf von Lebensmitteln etc.) abgewickelt habe, wirkt konstruiert. So hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.09.2020 angegeben, nach Übergabe der Kaution im Juli 2016 habe sie ihr restliches kleines Vermögen in einem kleinen Tresor in ihrer Wohnung deponiert. Demgegenüber hatte die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.05.2020 noch dargelegt, die Kaution i.H.v. 700 € (vergleiche die im Verfahren L
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
E.
Gründe die Revision (§
Nachfolgeinstanz: