LAG Hamburg - Urteil vom 17.06.2021
8 Sa 22/20
Normen:
GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2; KSchG § 9 Abs. 1 S. 2; KSchG § 10; BGB § 242; BGB § 611;
Vorinstanzen:
ArbG Hamburg, vom 12.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 15 Ca 295/19

Abmahnung vor Ausspruch einer KündigungGründe für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses

LAG Hamburg, Urteil vom 17.06.2021 - Aktenzeichen 8 Sa 22/20

DRsp Nr. 2022/808

Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung Gründe für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses

1. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt in der Regel das Erfordernis einer Abmahnung vor Ausspruch einer verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung. Hat der Beschäftigte eine E-Mail mit Werturteilen, aber ohne falsche Tatsachenbehauptungen, an den Vorstand der Muttergesellschaft geschrieben, kann dies zwar eine Pflichtverletzung darstellen, rechtfertigt aber ohne vorherige Abmahnung keine Kündigung. Denn die Abmahnung bewirkt im Normalfall, dass der Beschäftigte sein Verhalten überdenkt und solche Pflichtverletzungen in Zukunft unterlässt. 2. Eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommt nur ausnahmsweise in Betracht und erfordert gravierende Auflösungsgründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen. Abzuwägen sind das Interesse des Beschäftigten an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes gegen das Interesse des Arbeitgebers, nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen. Für das Vorliegen triftiger Auflösungsgründe trägt der Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast.