LAG Niedersachsen - Urteil vom 19.12.2022
15 Sa 284/22
Normen:
BGB § 241 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 1; BGB § 626 Abs. 2; DSGVO Art. 6 Abs. 1; DSGVO Art. 9 Abs. 2 Buchst. f); GewO § 106;
Vorinstanzen:
ArbG Hannover, vom 24.02.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 10 Ca 147/21

Fristbeginn des § 626 Abs. 2 BGB zum Ausspruch einer fristlosen KündigungWichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGBSchutz der freien Meinungsäußerung und des Persönlichkeitsrechts für herabwürdigende Äußerungen in einer Chatgruppe

LAG Niedersachsen, Urteil vom 19.12.2022 - Aktenzeichen 15 Sa 284/22

DRsp Nr. 2023/3407

Fristbeginn des § 626 Abs. 2 BGB zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung "Wichtiger Grund" i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB Schutz der freien Meinungsäußerung und des Persönlichkeitsrechts für herabwürdigende Äußerungen in einer Chatgruppe

1. Der Kündigungsberechtigte kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts und der Beweismittel verschaffen sollen. 2. Bei einer fristlosen Kündigung ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise, als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Umstände des Falles jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. 3. Sind herabwürdigende Äußerungen Bestandteil einer vertraulichen Kommunikation zwischen den Teilnehmern einer kleinen Chatgruppe, genießen sie als solche verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre der durch die Äußerungen betroffenen Personen vorgeht.