LAG Baden-Württemberg - Urteil vom 29.07.2004
21 Sa 113/03
Normen:
GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 ; KSchG § 1 § 9 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 § 10 § 23 ; StGB § 185 § 186 § 187 ; BGB § 241 Abs. 2 § 314 Abs. 2, Abs. 2 Nr. 2 § 323 Abs. 2, Abs. 2 S. 3 § 626 ;
Fundstellen:
AuR 2005, 343
Vorinstanzen:
ArbG Stuttgart, vom 15.10.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ca 13023/02

Unwirksame ordentliche Kündigung bei kritischen Äußerungen über Arbeitgeber und dessen Repräsentanten - Erforderlichkeit der Abmahnung

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.07.2004 - Aktenzeichen 21 Sa 113/03

DRsp Nr. 2005/9404

Unwirksame ordentliche Kündigung bei kritischen Äußerungen über Arbeitgeber und dessen Repräsentanten - Erforderlichkeit der Abmahnung

1. Tatsachenbehauptungen nehmen am Schutz der Meinungsfreiheit teil, weil und soweit sie meinungsbezogen sind; dabei genießen nicht nur wohl abgewogene sondern auch überzogene Äußerungen den Grundrechtsschutz.2. Eine Schmähung liegt erst dann vor, wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache selbst sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.3. Die auf das Arbeitsverhältnis bezogene Redewendung "wes Brot ich eß, des Lied ich sing" widerspricht dem Menschenbild des Grundgesetzes; wegen ihrer überragenden Bedeutung für die persönliche Freiheit und für die Meinungsbildung in einem demokratischen System ist die Meinungsfreiheit mit den rechtlich geschützten Interessen abzuwägen, denen das grundrechtsbeschränkende Gesetz dient.4. § 314 BGB enthält eine allgemeine gesetzliche Grundlage für das Abmahnungserfordernis im Bereich der außerordentlichen Kündigung, und zwar für alle Dauerschuldverhältnisse, also auch für den Bereich des Arbeitsrechts; auch die Grundsätze zur Entbehrlichkeit der Abmahnung (§§ 314 Abs. 2 Nr. 2, 323 Abs. 2 BGB) können für das Arbeitsrecht herangezogen werden.

Normenkette:

GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 ;