BVerfG - Beschluß vom 16.10.1998
1 BvR 1685/92
Normen:
BAT § 8 Abs. 1 Satz 1 ; GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 ;
Fundstellen:
AP Nr. 24 zu § 611 BGB Abmahnung
AuR 1999, 36
DRsp VI(604)214c
EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 40
EzA Art 5 GG Nr. 24
EzBAT § 13 BAT Nr. 43
EzBAT § 8 BAT Meinungsfreiheit Nr. 4
NZA 1999, 77
RDV 1999, 70
Vorinstanzen:
ArbG Mannheim, vom 14.09.1992 - Vorinstanzaktenzeichen 9 Ca 255/92
LAG Baden-Württemberg, vom 18.01.1993 - Vorinstanzaktenzeichen 16 Sa 66/92

Verfassungsrechtliche Prüfung einer arbeitsrechtliche Abmahnung wegen Äußerungen in einem Leserbrief

BVerfG, Beschluß vom 16.10.1998 - Aktenzeichen 1 BvR 1685/92

DRsp Nr. 1999/2021

Verfassungsrechtliche Prüfung einer arbeitsrechtliche Abmahnung wegen Äußerungen in einem Leserbrief

1. Eine Abmahnung wegen einer in einem Leserbrief enthaltenen Kritik an dem Bürgermeister der Stadt, bei der der Antragsteller angestellt ist, verstößt gegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, wenn eine konkrete Abwägung der Grundrechtspositionen , die auch den Kontext des Leserbriefs berücksichtigt, unterbleibt.2. Gleichwohl ist eine Verfassungsbeschwerde nur begründet, wenn die Abmahnung nicht bereits wegen Zeitablaufs gegenstandslos geworden ist.

Normenkette:

BAT § 8 Abs. 1 Satz 1 ; GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 ;

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine arbeitsrechtliche Abmahnung wegen Äußerungen in einem Leserbrief.

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Angestellter der Stadt L., deren früheren Bürgermeister, R. Sch. (SPD), er wiederholt kritisierte. 1992 kam es anläßlich der damals anstehenden Bürgermeisterwahl in L. innerhalb der örtlichen CDU, deren Mitglied der Beschwerdeführer ist, zu Auseinandersetzungen darüber, ob die Partei einen Kandidaten für die Bürgermeisterwahl nominieren solle und gegebenenfalls wen. Der Streit fand auch in der Presse Resonanz.

In diesem Zusammenhang schrieb der Beschwerdeführer einen Leserbrief, der am 6. März 1992 in der L. Zeitung veröffentlicht wurde und folgenden Inhalt hatte: