BVerfG - Beschluss vom 30.06.2008
1 BvR 1159/08
Normen:
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2 ;
Vorinstanzen:
BSG, vom 06.02.2008 - Vorinstanzaktenzeichen B 6 KA 41/06 R

Verletzung des gesetzlichen Richters durch Unterbleiben einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof

BVerfG, Beschluss vom 30.06.2008 - Aktenzeichen 1 BvR 1159/08

DRsp Nr. 2008/19129

Verletzung des gesetzlichen Richters durch Unterbleiben einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof

Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vor oder hat er die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), so wird Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind. Zu verneinen ist in diesen Fällen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG deshalb bereits dann, wenn das Gericht die gemeinschaftsrechtliche Rechtsfrage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet hat. Das Gericht verkennt regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht, wenn es sich hinsichtlich des europäischen Rechts nicht ausreichend kundig gemacht hat.

Normenkette:

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2 ;

Gründe: