BVerfG - Beschluß vom 09.08.1991
1 BvR 630/91
Normen:
BVerfGG § 93b Abs. 2 Satz 1 ; GG Art. 2 Abs. 1 Art. 19 Abs. 4 Art. 20 Abs. 3 ; ZPO § 518 Abs. 2 Nr. 1 ;
Fundstellen:
NJW 1991, 3140
SGb 1992, 159
Vorinstanzen:
LG Baden-Baden, vom 22.03.1991 - Vorinstanzaktenzeichen 2 S 111/90

Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens bei Zurückweisung einer zivilrechtolichen Berufung als unzulässig

BVerfG, Beschluß vom 09.08.1991 - Aktenzeichen 1 BvR 630/91

DRsp Nr. 2005/15619

Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens bei Zurückweisung einer zivilrechtolichen Berufung als unzulässig

1. Nach dem "allgemeinen Prozeßgrundrecht" des fairen Verfahrens muß der Richter das Verfahren so gestalten, wie die Parteien des Zivilprozesses es von ihm erwarten dürfen: Er darf sich nicht widersprüchlich verhalten, darf aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile ableiten und ist allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet. 2. Die Gerichte müssen aber auch hier die Grenzen beachten, die ihnen durch die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes gezogen sind. Diese verbieten es, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Dieser aus Art. 19 Abs. 4 GG entwickelte Grundsatz gilt nicht nur in den Fällen, die den Rechtsweg gegen Akte öffentlicher Gewalt betreffen; er ist vielmehr ein Gebot rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung, dem jedes Gerichtsverfahren genügen muß. 3. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben schaden nicht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für Gericht und Prozeßgegner deutlich wird, welches Urteil angefochten werden soll.

Normenkette:

BVerfGG § 93b Abs. 2 Satz 1 ; GG Art. 2 Abs. 1 Art. 19 Abs. 4 Art. Abs. ;