7/3.18.3 Kritik aus der Literatur an der geänderten BGH-Rechtsprechung

Autor: Viefhues

Von Teilen der Literatur wird diese neue Rechtsprechung zur Berücksichtigung der Naturalleistungen beim Ehegattenunterhalt (BGH v. 29.09.2021 - XII ZB 474/20, FamRZ 2021, 1965; BGH v. 18.05.2022 - XII ZB 325/20, FamRZ 2022, 1366 = NJW 2022, 2470 m. Anm. Obermann) scharf kritisiert (Schwamb, FamRB 2022, 342; Schürmann, FF 2022, 363, 365; Götz/Seiler, FamRZ 2022, 1338; Duderstadt, FamRZ 2022, 1338; Spangenberg, FamRB 2022, 369; Bruske, FamRZ 2023, 339; BeckOGK-BGB/Witt, § 1578 Rdnr. 338 ff.; siehe auch OLG Oldenburg v. 16.05.2023 - 3 UF 32/23, FamRZ 2023, 1371 mit Anm. Seiler). Dem BGH stimmen zu: Gutdeutsch, FamRZ 2022, 1757 und Borth, FamRZ 2022, 1758; Soyka, FuR 2022, 529; M. Schneider, FamRB 2022, 9; Soyka, FuR 2022, 39 und Lies-Benachib, FamRZ 2023, 9; Viefhues FuR 2023, 166; vgl. auch Rubenbauer/Dose, FamRZ 2022, 1497, 1506.

Götz/Seiler (FamRZ 2022, 1338) werfen dem BGH einen Systemwechsel im Unterhaltsrecht vor.

Es werde mit dieser Rechtsprechung § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB praktisch abgeschafft. Nach dieser Norm erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, i.d.R. durch die Pflege und die Erziehung des Kindes. Auf der Basis dieser Norm wurde angenommen, dass der vom anderen Elternteil geschuldete Barunterhalt den gesamten Lebensbedarf des Kindes abdeckt und Leistungen des Betreuenden, die den Barunterhaltsanspruch zudem unberührt lassen, als freiwillige Unterstützungsleistungen zu bewerten sind.