7/3.18.4 Bewertung des Meinungsstreits

Autor: Viefhues

Aus Sicht der Praxis kann der auf der Lebenswirklichkeit beruhende gedankliche Ansatz nicht bezweifelt werden, dass sich der Lebensbedarf des minderjährigen Kindes in einer intakten Familie aus den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Elternteile ergibt. Das Kind nutzt die ihm von den Eltern zur Verfügung stehenden Dinge (Nahrungsmittel, Kleidung, Wohnung, Urlaubsreisen, Freizeitaktivitäten usw.), ohne dass es darauf ankommt, welcher Elternteil dafür die Kosten übernommen hat. Erzielen beide Eltern Einkommen, ist der Bedarf des Kindes naturgemäß entsprechend höher, als wenn nur ein Elternteil Einkommen erzielt.

Die entscheidende Frage ist, ob sich dies nach der Trennung der Eltern zum Nachteil des Kindes ändert, indem man ihm mit der Literaturmeinung jetzt nur noch einen deutlich geringeren Bedarf zuspricht, der sich allein am Einkommen des "Zahl-Elternteils" orientiert oder ob der Bedarf als solcher weiterhin in gleicher Höhe fortbesteht. Diesen letzten Ansatz verfolgt der BGH.

In der Realität partizipiert das Kind auch in einem Alleinerzieher-Haushalt von den jeweils konkret vorhandenen Finanzmitteln des betreuenden Elternteils und lebt nicht nur vom gezahlten Unterhaltsbetrag des anderen Elternteils. Sein tatsächlich gedeckter Bedarf ist daher regelmäßig höher als der vom "Zahl-Elternteil" geleistete Unterhaltsbetrag und wird in der Realität teilweise vom betreuenden Elternteil gedeckt.