Insolvenzmasse

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Einzugsrecht des Insolvenzverwalters

Pfändbare Einkommensteile

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehören die pfändbaren Teile des Einkommens des Schuldners zur Masse (§§ 35, 36 InsO; siehe Teil 6/6.8). Der Insolvenzverwalter ist befugt und verpflichtet, diese Einkommensteile beim Drittschuldner einzuziehen. Die Pfändbarkeit und damit die Massezugehörigkeit des schuldnerischen Einkommens bestimmt sich grundsätzlich nach § 850c ZPO (OLG Nürnberg v. 04.10.2004 – 11 WF 2713/04). Mithin sind die allgemein pfändbaren Einkommensteile als massezugehörig anzusehen, wobei die gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners zu berücksichtigen sind. Ob darüber hinaus bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrags des Schuldners seine mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Lebensgefährtin gem. §§ 35, 36 InsO i.V.m. § 850c ZPO zu berücksichtigen ist, obwohl der Schuldner ihr keinen gesetzlichen Unterhalt schuldet, ist umstritten (bejahend: LG Braunschweig v. 13.12.2016 – 6 T 691/16; LG Essen v. 04.09.2014 – 7 T 285/14; verneinend: LG Münster v. 31.01.2017 – 5 T 30/17; LG Heilbronn v. 28.11.2011 – 1 T 327/11).

Verschleiertes Arbeitseinkommen

Massezugehörig ist auch das sogenannte verschleierte Einkommen i.S.d. § 850h ZPO (BAG v. 16.05.2013 – 6 AZR 556/11). Die Annahme eines "verschleierten Arbeitseinkommens" nach § 850h Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass der Schuldner dem Dritten in einem ständigen Verhältnis Arbeiten oder Dienste leistet, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, die insoweit als üblich anzusehende Vergütung aber nicht oder nur in geringerem Umfang gezahlt wird. Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich dieser Voraussetzungen obliegt der klagenden Partei, im Fall eines eröffneten Insolvenzverfahrens mithin dem Insolvenzverwalter. Dabei ist die Klagepartei nicht verpflichtet, den streitigen Lebenssachverhalt in allen Einzelheiten darzustellen; vielmehr genügt eine Prozesspartei ihrer Darlegungspflicht grundsätzlich bereits dadurch, dass sie diejenigen Umstände vorträgt, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben. Bezogen auf die vom Gläubiger darzulegenden Tatbestandsmerkmale der regelmäßigen Arbeit für den Dienstschuldner und der Unangemessenheit der Vergütung gem. § 850h Abs. 2 ZPO folgt daraus die Verpflichtung der Klagepartei, Art und zeitlichen Umfang der Arbeitsleistungen des Schuldners darzulegen. Der Gläubiger muss ferner mit seinem Sachvortrag dem Gericht einen Vergleich zwischen der für die behauptete Arbeitsleistung angemessenen Vergütung und der tatsächlich gezahlten Vergütung ermöglichen, um das Merkmal der Unangemessenheit des vom Drittschuldner geleisteten Entgelts zu überprüfen (LAG Rheinland-Pfalz v. 11.10.2018 – 2 Sa 426/17; BAG v. 03.08.2005 – 10 AZR 585/04). Ein dem Schuldner vom Drittschuldner gewährter geldwerter Vorteil ist bei der Ermittlung des fiktiven Arbeitseinkommens nicht zu berücksichtigen. Freibeträge für Kinder können von der fiktiven Nettovergütung nur dann abgesetzt werden, wenn auch tatsächlich Unterhalt geleistet wird (OLG Dresden v. 19.11.2019 – 4 U 1186/19).

Berücksichtigung von Unterhaltspflichten

Solange der Schuldner mit seiner früheren Ehefrau in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist davon auszugehen, dass die Ehegatten nach §§ 1360, 1360a BGB einander Naturalunterhalt leisten und z.B. die Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person im Rahmen von § 850c Abs. 2 und 3 ZPO zu berücksichtigen ist. Mit der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft ist die getrenntlebende Ehefrau nur dann als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen, wenn der Schuldner ihr tatsächlich Unterhalt leistet (BAG v. 28.08.2013 – 10 AZR 323/12). Erforderlich ist, dass der Schuldner den Unterhalt "aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung" (§ 850c Abs. 2 Satz 1 ZPO) gewährt. Gegenüber volljährigen Kindern oder Eltern besteht eine Unterhaltspflicht dann nicht, wenn der Schuldner "bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren" (§ 1603 Abs. 1 BGB). Insoweit braucht der Unterhaltsverpflichtete – anders als bei minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 BGB) – nicht alle verfügbaren Mittel zum Unterhalt des Unterhaltsberechtigten einzusetzen. Anders als bei den gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber dem Ehegatten und den von § 1603 Abs. 2 BGB erfassten Kindern, denen ein Arbeitnehmer bei noch so geringem Einkommen Unterhalt schuldet (§§ 1360, 1603 Abs. 2 BGB), setzt die Unterhaltspflicht gegenüber den sonstigen Verwandten nach § 1603 Abs. 1 BGB erst ein, wenn die Unterhaltsleistung ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts möglich ist (BAG v. 26.11.1986 – 4 AZR 786/85; LAG Rheinland-Pfalz v. 11.10.2018 – 2 Sa 426/17).

Nachzahlung von Arbeitslohn

Erhält der Schuldner eine auf zurückliegende Zeiträume bezogene Nachzahlung, ist zur Bestimmung der pfändbaren und damit zur Insolvenzmasse gehörenden Lohnanteile die Nachzahlung den jeweiligen Lohnzahlungszeiträumen hinzuzuschlagen. Auf der Grundlage des so ermittelten monatlichen Einkommens ist der pfändbare Lohnanteil neu zu berechnen (LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 20.03.2019 – 3 Sa 186/18).

Zu möglichen Anordnungen des Insolvenzgerichts auf Außerachtlassung von Unterhaltsberechtigten siehe Teil 3/7.11 und Teil 6/6.8.