Widerruf der Restschuldbefreiung

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Autor: Lissner

Voraussetzungen

In Verfahren, deren Eröffnung nach dem 30.06.2014 beantragt wurde, kann die erteilte Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers dann widerrufen werden, wenn

sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat (§ 303 Abs. 1 Nr. 1 InsO);

sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner während der Abtretungsfrist nach Maßgabe von § 297 Abs. 1 InsO verurteilt worden ist (§ 303 Abs. 1 Nr. 2 erste Alternative InsO), oder

der Schuldner erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung wegen einer bis zum Ende der Abtretungsfrist begangenen Straftat nach Maßgabe von § 297 Abs. 1 InsO verurteilt wird (§ 303 Abs. 1 Nr. 2 zweite Alternative InsO);

der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung Auskunfts- und Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, die ihm nach diesem Gesetz während des Insolvenzverfahrens obliegen (§ 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO; vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO); dieser Fall kommt nur in einem sogenannten asymmetrischen Verfahren in Betracht.

Gläubigerantrag

Der Antrag des Gläubigers ist nur zulässig, wenn er innerhalb eines Jahres nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung gestellt wird. Ein Widerruf nach § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten) kann bis zu sechs Monate nach rechtskräftiger Aufhebung des Insolvenzverfahrens beantragt werden. Der Gläubiger hat die Voraussetzungen des Widerrufsgrunds glaubhaft zu machen. In den Fällen des § 303 Abs. 1 Nr. 1 InsO hat der Gläubiger zudem glaubhaft zu machen, dass er bis zur Rechtskraft der Entscheidung keine Kenntnis vom Widerrufsgrund hatte (§ 303 Abs. 2 InsO). Wie glaubhaft zu machen ist, dass man von einem Vorgang keine Kenntnis hatte, bleibt der Phantasie des Gläubigers überlassen.

Anwendung des § 303 InsO n.F. in Altverfahren

Wenn der Schuldner, dem die Restschuldbefreiung erteilt wird, bevor das Insolvenzverfahren aufgehoben ist (asymmetrisches Verfahren), die ihn auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung treffenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, kann analog § 303 Abs. 1 InsO a.F. (vgl. § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO n.F.) die Restschuldbefreiung widerrufen werden, wenn ein Gläubiger dies zumindest bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens beantragt (BGH v. 08.09.2016 – IX ZB 72/15).

Nachträgliches Herausstellen

Maßstab für das nachträgliche Herausstellen einer Obliegenheitsverletzung ist die individuelle Kenntnis des antragstellenden Gläubigers. Selbst dann, wenn etwa der Treuhänder eine Obliegenheitsverletzung in seinem, jedem Gläubiger zugänglichen Bericht anprangert, kann ein Gläubiger, der den Bericht erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung zur Kenntnis nimmt, einen Antrag auf Widerruf der Restschuldbefreiung stellen.

Umfang der Obliegenheiten

Die Regelung des § 303 Abs. 1 InsO nimmt im Gegensatz zu § 300 Abs. 2 InsO nicht Bezug auf § 296 InsO bzw. § 295 InsO. Dennoch ist davon auszugehen, dass mit den in § 303 Abs. 1 InsO angesprochenen Obliegenheiten die in §§ 295, 295a InsO genannten Verpflichtungen des Schuldners gemeint sind und nicht etwa auch die in § 290 InsO aufgezählten Versagungsgründe angesprochen werden. Die in § 290 InsO genannten Gründe können nur mit einem im Schlusstermin zu stellenden Antrag geltend gemacht werden (vgl. BGH v. 08.09.2016 – IX ZB 72/15).

Vorsätzliche Obliegenheitsverletzung

Auch kommt ein Widerruf der Restschuldbefreiung im Gegensatz zu § 296 InsO, der eine vorzeitige Versagung der Restschuldbefreiung für den Fall vorsieht, dass der Schuldner seine Obliegenheiten schuldhaft, d.h. auch fahrlässig, verletzt hat, nur dann in Betracht, wenn der Schuldner die ihm nach §§ 295, 295a InsO obliegenden Pflichten vorsätzlich verletzt hat und darüber hinaus hierdurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt wurde.

Antragsberechtigung

Der Widerruf erfolgt nur auf Antrag eines Insolvenzgläubigers. Das Antragsrecht hängt – wie im Fall des § 296 InsO – davon ab, dass der Gläubiger in dem Schlussverzeichnis genannt ist (vgl. Teil 11/6.2.1). Der Antrag ist nur innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Beschlusses über die Restschuldbefreiung zulässig (§ 303 Abs. 2 InsO). Der Gläubiger muss alle Voraussetzungen für den Widerruf einschließlich des Vorsatzes des Schuldners und der Tatsache glaubhaft machen, dass er, der Gläubiger, von den Pflichtverletzungen bis zur Rechtskraft der Entscheidung keine Kenntnis hatte.

Kosten

Das Gericht hat den Schuldner und den Treuhänder zu hören (§ 303 Abs. 3 InsO). Der Beschluss ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar, es entscheidet der Richter (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG). Die Entscheidung, mittels der die Restschuldbefreiung widerrufen wird, ist öffentlich bekanntzumachen (§ 303 Abs. 3 Satz 3 InsO). Für die Entscheidung über den Antrag des Gläubigers auf Widerruf der Restschuldbefreiung entsteht eine Gerichtsgebühr i.H.v. 50 € (Nr. 2350 KV GKG; Stand: 01.01.2021). Über die Kostentragungspflicht ist gem. §§ 91 ff. ZPO zu entscheiden.

Der Rechtsanwalt, der im Rahmen eines Verfahrens zum Widerruf der Restschuldbefreiung tätig wird, erhält hierfür eine Verfahrensgebühr i.H.v. 0,5 (Nr. 3321 VV RVG). Dabei ist das Verfahren über mehrere gleichzeitig anhängige Anträge eine Angelegenheit. Die Gebühr entsteht auch gesondert, wenn der Antrag bereits vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt wird (Abs. 1 und 2 der Anmerkung zu Nr. 3321 VV RVG).

Ein Widerruf der Restschuldbefreiung hat die gleichen Wirkungen, die auch eine Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge hat. Die Forderungen der Insolvenzgläubiger leben wieder auf, soweit sie nicht während des eröffneten Verfahrens oder der Wohlverhaltensperiode befriedigt wurden.